2248 - Friedenskämpfer
Lyressea schüttelte sich bei dem Gedanken daran, dass Kharzani sie mit seinen Knochenfingern berühren könnte.
Das Freundlichste an ihm war die Farbe seines Hutes, ein kräftiges Orange. Aber so lebensfroh dieser Farbklecks auch wirkte, die breite Krempe sorgte dafür, dass sein Gesicht konstant im Schatten lag und dadurch noch düsterer wurde. Daran änderte auch der Überwurf mit den ebenfalls orangefarbenen breiten Schulterstücken nichts. Ebenso wenig wie die dunkelroten, hohen Stiefel. Die übrige Kleidung war so farblos grau und tot wie Kharzani selbst.
Hätte ein anderer als Gimgon ihn vorgestellt, wäre die Ablehnung vermutlich einhellig gewesen. Doch Gimgon war über jeden Zweifel erhaben. „Ich weiß euer Interesse an meiner Person zu schätzen." Kharzanis Stimme war so wenig erfreulich wie sein Äußeres. Sie klang knarrend, beinahe blechern. Vielleicht fühlte er sich selbst unbehaglich und hätte sich einfach nur räuspern müssen. „Ich wäre froh darüber, wenn ich kein Missfallen erregte. Noch mehr freuen würde ich mich allerdings, könnte ich meine bescheidenen Kenntnisse in den Dienst des Ordens stellen. Frieden ist ein schönes Wort, aber noch besser, als dieses Wort zu gebrauchen, ist es, danach zu leben."
„So ist es, Tagg Kharzani." Lyressea sagte das beinahe gegen ihren Willen. Ihr Blick schweifte schon wieder zu Gimgon ab, aber er registrierte ihre Sehnsucht nicht einmal. Mehr als tausend Jahre trug Gimgon nun schon die Aura, doch Tagg Kharzani war der erste Schutzherren-Kandidat, den er vorstellte. Andererseits: Auch Lyressea hatte bislang keinen zweiten gefunden. „Was kannst du uns bieten?", wandte sie sich wieder an Kharzani, und das war eine Frage, die sie bislang keinem Anwärter gestellt hatte. Sie suchte unbewusst nach einem Ablehnungsgrund. „Ich kenne die Ökonomie heranreifender, planetengebundener Kulturen ebenso wie die logistischen Herausforderungen, die sich großen Sternenreichen stellen. Nicht alles ist in großen Strukturen optimal; umfassende Wirtschaftssysteme blähen sich mitunter zum Moloch auf, und die Geister, die man rief, wird man dann nur unter großer Mühe wieder los." Er hob ein wenig den Kopf, fühlte sich sichtlich in seinem Element, doch der Schatten auf seinem Gesicht blieb. „Jedes Problem braucht für seine Lösung einen eigenen Weg. Zeit zu haben für die Lösung, das ist ein wichtiger Faktor. Ich habe Zeit, und ich stelle sie dem Orden gerne zur Verfügung."
Knapp drei Jahre vergingen nach dieser eigenwilligen Vorstellung, bis sich alle sechs Schildwachen und die Schutzherren wieder auf Tan-Jamondi II zusammengefunden hatten. Da äußerliche Vorbehalte keine Relevanz hatten und Kharzanis Überprüfung keine Unstimmigkeiten erbrachte, wurde er endgültig in den Kreis der Schutzherren aufgenommen.
Zur Weihe im Dom Rogan umfing die leuchtende Spirale des Paragonkreuzes den hageren Knochenleib ... ... und Stunden vergingen, als könne selbst das Paragonkreuz zu keiner Entscheidung gelangen.
Nervosität breitete sich unter allen Anwesenden aus. Zum ersten Mal versuchte Lyressea, im Dom selbst die Niederschwellen-Telepathie einzusetzen, aber sie prallte schier gegen eine Mauer und verlor vorübergehend die Besinnung. Etwas Vergleichbares war bislang nicht geschehen, und allmählich gewann jeder den Eindruck, dass Tagg Kharzani keineswegs ein eindeutiger Charakter war.
Endlich, nach beinahe vier Stunden angestrengten Wartens, durchdrang sie alle der Psionische Pulsschlag.
Trotz seiner humanoiden Gestalt war Tagg Kharzani der vielleicht exotischste Schutzherr, den der Orden bislang aufgenommen hatte.
Gegenwart Es war, als erwachte Lyressea aus einer langen und tiefen Trance. Sie hatte ohne Unterbrechung geredet, nahezu eineinhalb Stunden lang, nun schwieg sie zum ersten Mal. Obwohl sie die Augen weit geöffnet hatte, schien sie ihre Umgebung kaum wahrzunehmen. Oder sie stand so sehr unter dem Eindruck ihres Berichts, dass sie Vergangenheit und Gegenwart noch nicht auseinander halten konnte. „Sieben Millionen Jahre." Perry Rhodan massierte die kleine weiße Narbe an seiner Nase. „Ungefähr so lange liegt das alles zurück. Was machen da ein paar hunderttausend Jahre mehr oder weniger aus?"
Lyresseas Blick heftete sich auf ihn. Erneut verfiel sie in die Sprache der Mächtigen, bis Rhodans Kopfschütteln ihr verriet, dass weder Zephyda noch Rorkhete sie verstanden. Mit dem Handrücken fuhr sie sich über die Lippen, die ein wenig von ihrem
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