225 - Kalis Kinder
Oder noch besser, den Tygern vorwerfen, dachte der junge Mann und spürte den Zorn heiß in sich hoch steigen. Die Tatsache, dass er gegenüber gewissen Leuten machtlos war, machte ihn fast verrückt. Reich sein war nicht alles. Man brauchte auch Macht.
Swamui erreichte das Haus seiner Eltern. Sein Vater praktizierte als Hilar, wie es in der Familie seit Generationen üblich war. Lärm und laute Schreie empfingen ihn. Momentan ließ sein Vater das Haus umbauen, denn Swamuis Schwester würde heiraten und mit ihrem Mann ebenfalls im Haus wohnen.
Die Schreie wurden lauter. Staubwolken wallten in die Höhe. Was ist denn jetzt los? Swamui erhöhte den Takt seiner Schritte. Aber es wäre ihm nicht im Traum eingefallen zu laufen. Das war unter seiner Würde.
Er fand einen Arbeiter vor, der wimmernd auf dem Boden lag. Kollegen kümmerten sich um ihn. Eine schwere Bretterwand, die zum Keller gehört hatte, war eingestürzt und hatte wohl seinen Fuß zerschmettert. Nachdem der Unglückliche befreit war, transportierten ihn die anderen ab.
Als sich der Rauch verzog, merkte Swamui auf. Hinter der Bretterwand war ein Raum erschienen, den er bisher gar nicht gekannt hatte. Ein geheimer, vergessener Raum! Swamui sah sich um. Er enthielt nicht viel, nicht die Schätze zumindest, die er sich einen Moment lang erhofft hatte. Eine alte Holztruhe stand an der Wand, mit allerlei bunten Bildern verziert, die verschiedene Götter bei ihren Handlungen zeigten. Vor allem die Göttin Schiva, die sich mit dem Gott Brahm gerade körperlich vereinigte, betrachtete er interessiert.
Was mag da drin sein? Er öffnete die Truhe. Sie quietschte ein wenig, aber es gelang problemlos. Vielleicht doch die erhofften Schätze? Nein. Auf dem Boden lag neben einigen Schmuckstücken, die einer Frau gehört hatten, ein Tiegel mit den verkrusteten Resten einer grünblauen Salbe und eine Sammlung von pergamentenen Schreibblättern, die durch Lianenfasern zusammengebunden waren. Jemand hatte die Blätter beschrieben.
Ein Buch!
Besser als nichts, denn Swamui konnte lesen und schreiben.
Interessiert nahm er die verstaubte Kladde hoch und blätterte darin. Er erstarrte, als er das Wort Triva las. Kälte kroch langsam seinen Rücken hinunter.
Triva, die Mysteriöse, die ein großes Geheimnis umgab!
Sie war seine Großtante gewesen, die Schwester seines Großvaters Santosh. Niemand in der Familie sprach von ihr, vor allem die Älteren verschlossen sofort ihre Gesichter, wenn jemand die Rede auf sie brachte. Aber diese Blätter hatte sie selbst beschrieben, kein Zweifel!
Swamui war plötzlich mächtig aufgeregt. Kam er durch einen Zufall urplötzlich hinter Trivas finsteres Geheimnis? Er besorgte sich einen Bastkorb aus dem Haus, raffte alle Sachen zusammen, die sich in der Truhe befanden, und ließ sie in seinem Zimmer verschwinden.
Dann streckte er sich auf dem Bett aus und studierte in aller Ruhe Trivas Buch. Er konnte ihre etwas krakelige Handschrift gut lesen. Und was er las, verschlug ihm fast den Atem. Er erfuhr vom Drama um seinen Großonkel Kenna und von der Salbe, die Urgroßvater Sukmanda gemischt hatte. Er las von Trivas Vergehen, die die Salbe gestohlen und sie gegen ihre Orangenhaut angewandt hatte.
»Die Wundersalbe hat Kenna geheilt und Trivas Orangenhaut wieder glatt werden lassen«, murmelte Swamui aufgeregt. »Aber irgendwann wirkte sie nicht mehr und Kenna ist gestorben. Nun ja, sein Immunsystem war geschädigt, das konnte wohl nicht ewig gut gehen.«
Ganz hinten im Buch fand er sogar das genaue Rezept, das Triva einst abgeschrieben hatte. »Das ist ja noch viel besser als ein Schatz«, flüsterte er ergriffen. »Die Götter meinen es gut mit mir!« Das tröstete ihn darüber hinweg, dass er über Trivas Schicksal noch immer nichts erfahren hatte; darüber gaben die Aufzeichnungen keine Auskunft. Immerhin, Triva war schwanger gewesen. Es waren aber innerhalb der Familie keinerlei Nachfahren von ihr überliefert. War hier das Mysterium um ihre Person zu suchen?
In den nächsten Wochen machte sich Swamui daran, die in dem Rezept erwähnten Zutaten zu sammeln und die Salbe genau nach Anweisung herzustellen. An einer alten Frau mit schrumpliger Haut testete er sie zum ersten Mal. Mit derart durchschlagendem Erfolg, dass es ihn selbst über alle Maßen verblüffte. Innerhalb von Tagen wurde die Haut der Alten weich und glatt. Sie sah plötzlich um zwanzig Jahre jünger aus!
Vier Wochen später eröffnete Swamui eine Praxis als
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