2254 - Der ewige Gärtner
junges, naives Kind glorifiziert, mit einem Glanz gesehen, den sie nie besessen hatte. Natürlich, die Einrichtung war prunkvoll. Von den Wänden blickten ihr prächtige Bilder entgegen - steinerne Reliefs, Holos und Gemälde. Ihre Möbel hatten nichts von ihrer zeitlosen Eleganz verloren. Alles war da, bis auf die Pflanzen, die einst diesen Raum geschmückt und ihm Leben gegeben hatten, wie übrigens auch die anderen. Natürlich hatten sie die Ewigkeit nicht überstehen können. Sie waren einfach fort. Lyressea fragte sich erst jetzt, wer sie entfernt hatte. Die Kybb? Welches Interesse sollten ausgerechnet sie an ihnen gehabt haben?
Aber das war nur ein Gedanke am Rande. Alles war perfekt, aber nüchtern. In ihrer Einbildung hatte sie es in einem Glanz gesehen, den es nie besessen hatte.
Lyressea zwang sich zur Ruhe. Sie sah an Kleinigkeiten, dass die Kybb auch hier gewesen waren - und Tagg Kharzani, denn nur er konnte sich als Schutzherr Zugang verschafft haben, so, wie sie Einlass in alle anderen Räume des Doms erhielt. Sie hatten die Wohnstatt durchsucht, aber nichts genommen.
Ohne große Hoffnung ließ Lyressea ihren persönlichen Computer aus dem Tischchen gleiten und aktivierte ihn. Keine Minute später wusste sie, was sie bereits erwartet hatte.
Alle Speicher waren gelöscht. Die Schildwache starb nicht daran. Es war nichts verloren gegangen, was von großer Wichtigkeit für sie gewesen wäre. Was ihr etwas bedeutete, hatte sie in ihrem Kopf.
Lyressea setzte sich in einen Sessel und stützte den Kopf in die Hände. Minutenlang starrte sie vor sich hin und versuchte, an nichts zu denken und dafür nur die Umgebung auf sich wirken zu lassen. Dies war für den größten Teil ihres Lebens ihr Zuhause gewesen. Aber jetzt...?
Würde es jemals wieder dazu werden? Würden die alten Zeiten wiederkommen?
Mit neuen Schutzherren? Mit dem Paragonkreuz?
Das Kreuz! Lyressea erhob sich und verließ den Raum ohne einen Blick zurück. Hinter ihr bildete sich die Tür neu. Auch darauf achtete sie nicht. Jetzt fühlte sie sich bereit. Um ihre Gefühle nicht übermächtig werden zu lassen, redete sie sich ein, dass es um das Paragonkreuz ginge, in erster Linie darum.
Sie wusste, dass dies nicht die ganze Wahrheit war.
Als sie diesmal, abermals ein Stock-34 HORST HOFFMANN werk höher, vor einer Tür Halt machte, war ihr klar, dass sie an ihrem letzten Ziel angelangt war. Wie oft hatte sie hier gestanden und mit sich gekämpft. Wie oft war sie davor gewesen, ihm ihre Liebe zu gestehen - Gimgon.
Bis es zu spät gewesen war. Viel zu spät. Seine Worte echoten in ihren Gedanken: „Wir haben beide geschwiegen. Es war falsch. Ich hätte es in der Hand gehabt, die emotionale Nähe zuzulassen, mehr aus unserer Zuneigung zu machen. Nun ist es zu spät dazu. Wir würden auch nicht mehr glücklich werden bei dem Gedanken daran, unsere Pflicht versäumt zu haben."
Sie gab sich den entscheidenden Ruck und betätigte den Öffner.
Das erste Gefühl war: Leere. Leere im Raum und in ihr selbst. Sie war so aufgeregt gewesen, wie ein Wesen von ihrer Art es nur sein konnte. Noch auf dem Gang hatte sie sich geschworen, ruhig zu bleiben. Es hatte wenig genützt.
Als sie den Raum betreten hatte, als das weiße Licht aufflammte, waren alle Dämme in ihr gebrochen, jegliche Vernunft und Selbstkontrolle weggespült. Jetzt wischte sie sich die salzigen Tränen aus den Augen. Sie, die Mächtige, hatte es nicht verhindern können.
Ihre Gefühle hatten sie endgültig übermannt, und sie tat das Einzige, was sie in dieser Situation tun konnte: Sie ließ ihnen freien Lauf. Niemand sah sie hier, und doch wünschte sie sich in diesen Momenten nichts so sehr wie einen Arm, der sie hielt; einen warmen Körper, an den sie sich lehnen konnte. Eine Hand, die liebevoll über ihre Wangen strich.
Gimgons Hand ...
Sie ließ es geschehen. Sie ließ heraus, was herausmusste. Sie wusste, dass sie stark war.
Sie hätte ihre Gefühle niederkämpfen können. Aber das hätte ihr keine Befreiung gegeben. Sie sah Gimgons Gesicht, dieses edle Gesicht, sah es in den großen Holos in den Wänden. Es wurde größer, füllte alles aus, stülpte sich über sie, und dann ...
Es verblasste, verging in einem Blitz. Lyresseas Körper straffte sich. Sie schüttelte die Lähmung ab, die von ihr Besitz ergriffen hatte. Und als sie in die Augen eines der Holo-Porträts in der Wand sehen und dem klaren, geliebten Blick standhalten konnte, ohne wieder die Schwäche zu spüren,
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