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2254 - Der ewige Gärtner

Titel: 2254 - Der ewige Gärtner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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und brachte die Beete in Ordnung. Das geschah eher halbherzig. Er hatte keine rechte Freude daran und tat nur das Nötigste. Als er nach Wochen wiederkam, hätte der Keim schon um einige Zentimeter aus dem Boden gewachsen sein müssen.
    Aber da war nichts. Orrien Alar grub die verfaulte Kapsel aus und warf sie achtlos in die Sträucher. Er hatte es befürchtet. Dennoch stürzte es ihn noch tiefer in die Schwermut.
    Der ewige Gärtner aß kaum noch etwas, und wenn, dann ohne Lust und Appetit. Das trübe Licht und der Dauerregen des Herbstes setzten ihm zusätzlich zu. Als der Winter kam, war er fast froh darüber, sich hinlegen zu können und nichts mehr denken zu müssen. Er nahm nicht einmal mehr Abschied vom Wald und von seinen Freunden. Das Wort „Freund" bekam für ihn einen bitteren Beigeschmack.
    Er klagte seiner Chronik sein Leid. Dann schlief er ein, abgemagert und schwach. Als er wieder aufwachte, konnte er sich kaum auf den Beinen halten. Der Frühling, die Sonne und das Erwachen ringsum hoben noch einmal seine Stimmung, gaben ihm sogar eine schwache Hoffnung, dass in diesem Jahr alles besser werden würde -aber das tat es nicht. Alar zwang sich dazu, viel und reichlich zu essen, bis er wieder einigermaßen bei Kräften war. Danach pflanzte er eine weitere Samenkapsel in den Domhof. Es war eine reine Trotzhandlung. Es war schon Sommer und zu heiß für den zarten Keim, aber er wollte sein Glück herbeizwingen.
    Selbstverständlich scheiterte auch dieser Versuch. Alar schrie seine Enttäuschung und seine Verzweiflung in die Welt hinaus. Sein Klagen hallte von den Wänden des Doms wider, es erfüllte den Wald, als er von Baum zu Baum lief und sich Hilfe suchend an jeden Stamm lehnte. Aber die Hilfe, die er gebraucht hätte, konnten sie ihm nicht geben.
    Hilfe gab immer nur er. Er bekam dafür Dankbarkeit zurück, aber das war zu wenig. Was er brauchte, war ein wirklicher Freund, ein Wesen wie er.
    Der Herbst wurde zur Hölle für ihn. Er vernachlässigte seine Arbeit im Domhof. Die Beete verwilderten, und er sah tatenlos dabei zu, wenn er überhaupt noch zum Dom ging. Er suchte nach Tieren, mit denen er sich unterhalten konnte, die ihn verstanden und wenigstens versuchen konnten, ihm zu antworten. Die Einsamkeit fraß immer weiter an seiner Seele. Er kümmerte sich immer weniger um den Wald. Manchmal nahm er ein Tier mit in seine Hütte und redete tagelang mit ihm. Er versuchte, ihm Kunststücke beizubringen. Er gab ihm einen Namen und nannte es Freund. Aber dabei blieb es dann auch. Er hatte kein Glück und fragte sich, was er verbrochen hatte, um so hart bestraft zu werden.
    Ein wirklicher Freund ...
    Einer, der so war wie er ...
    Der Gedanke setzte sich immer mehr in seinem Kopf fest, und schließlich raffte er sich zu einer Tat auf, von der er wusste, dass sie Frevel war. Doch alle Vernunft wurde von der jähen Hoffnung erstickt, nicht mehr allein sein zu müssen.
    Orrien Alar, der ewige Gärtner, wollte sich den Freund, den ihm die Welt nicht gab, selbst erschaffen.
    Er hatte sich nie gefragt, wer die Welt einst gemacht hatte. Sie war einfach da, solange er denken konnte. Von den Motana und anderen ehemaligen Dienern der Herren hatte er manchmal gehört, dass sie an eine Macht glaubten, die hinter allem stand, was war und was je gewesen war. Die einen nannten sie Gott, die anderen hatten andere Namen dafür. Orrien Alar hatte eine Zeit lang oft darüber nachgedacht, aber er hatte nie einen Sinn darin gefunden. Die Welt war die Welt. Sie lebte und schuf sich selbst neu - immer wieder. Die Bäume brachten ihre Samen hervor, aus denen sich neues Leben entwickelte, die Sträucher taten es und die Gräser. Die Tiere paarten sich und gebaren ihresgleichen.
    Die Motana und die anderen Völker, die er kennen gelernt hatte, taten es auch - zwar im Verborgenen, aber er wusste es. Sie erschufen sich immer wieder neu, weil sie verschieden waren. Es gab immer zwei Arten von Wesen. Zwei Geschlechter, so lautete der Begriff, waren nötig, um Kinder zu zeugen und zu empfangen. Überall in der Natur war es so - nur bei ihm nicht.
    Er war allein. Er hatte keinen Partner. Er hatte nie einen besessen, nie ein Geschöpf kennen gelernt, das so war wie er. Er war einzig. Er konnte sich nicht so fortpflanzen wie die Tiere und die Motana. Er konnte keinen Nachwuchs zeugen, der ihm zum Freund wurde - nicht auf diese Art.
    Aber es musste doch einen Weg geben! Die Motana hatten gesagt, dass ein Schöpfer sie einst geschaffen habe.

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