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2254 - Der ewige Gärtner

Titel: 2254 - Der ewige Gärtner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Alar hatte das nie verstanden. Alles war einfach da und säte sich aus. Und wenn er das nicht konnte, war das eine Strafe, die er nicht verdient hatte. Er begriff es nicht, und nun, in seiner Verzweiflung und seinem Trotz, beschloss er, selbst zum Schöpfer zu werden.
    Das schlechte Gefühl, etwas Unrechtes zu tun, blieb dabei zwar, aber er setzte sich darüber hinweg. Er war jetzt besessen von dem einmal gefassten Entschluss. Und wenn es einen Schöpfer gab, der die Pflanzen und Tiere erschaffen hatte - und auch ihn? -, dann hatte er ganz einfach vergessen, ihm einen Partner zu geben.
    Orrien Alar ging zu dem Bach, der aus der Quelle floss, von der er gewöhnlich trank. An seinem Ufer war die Erde feucht und weich. Sie hatte die Farbe seiner Haut und roch auch wie er.
    Die Bäume und die Tiere des Waldes sahen ihm zu, wie er aus dem Lehm einen Klumpen formte und versuchte, ihn zu modellieren. Es war natürlich viel schwerer, als er es sich vorgestellt hatte, aber er ließ sich nicht entmutigen. Überall um ihn herum spross das Leben. Er spürte es wie sein eigenes, und es tat weh. Er hatte viele alte Bäume geheilt und neue aufgezogen, ganz abgesehen von Uralt Trummstam - wieso sollte es ihm nicht gelingen, auch aus dem Lehm etwas Lebendiges zu schaffen? Die Erde gehörte genauso zur Welt wie alles andere. Ohne sie würde es keine Pflanzen geben und keine Tiere, die von den Pflanzen lebten. Er betrachtete immer wieder seine Hände. Es musste einfach gelingen. Er musste nur Geduld haben.
    Orrien Alar begann nach jedem gescheiterten Versuch mit einem neuen. Er geriet in einen Rausch. Bald stellte er fest, dass die Formen, die er aus dem Lehm modellierte, haltbarer wurden, wenn er nur genug Reisig und einige junge, biegsame Zweige beimischte. Wenn dann die Sonne lange genug darauf schien, wurden sie fester und hart.
    Es gelang ihm, zwei dicke Beine zu machen, die nicht sofort wieder auseinander fielen.
    Nach ein paar Tagen setzte er einen Rumpf darauf. Die halb fertige Figur brach jedes Mal nach einigen Minuten zusammen, aber jedes Mal versuchte er es von neuem, bis die Form hielt. Der Gärtner gönnte sich keine Ruhe. Er schlief nur wenige Stunden in der Nacht und wachte ansonsten über sein werdendes Werk. So vergingen weitere Tage. Es wurde allmählich kühler. Er störte sich nicht daran, ja er merkte es nicht einmal. Er formte Arme, immer wieder, und als sie endlich am Körper aus Lehm kleben blieben, fühlte er sich fast am Ziel. Die Hoffnung auf das Wunder brachte ihn fast um den Verstand. Er arbeitete drei Tage lang an dem Kopf, dem wichtigsten und am leichtesten zu modellierenden Teil seiner Schöpfung, und nach einer Woche war es geschafft.
    Der Freund stand vor ihm, so groß wie er und von menschlicher Form. Seine Augenhöhlen waren noch leer und die Gliedmaßen zu klobig, aber das würde sich auch noch ändern. Das Schicksal schien Alar wohl gesinnt zu sein, denn er fand den Kadaver eines erst kürzlich verendeten großen Tieres, dem die Vögel noch nicht die Augen ausgepickt hatten. Er nahm sie und setzte sie dem Freund ein.
    Orrien Alar setzte sich auf einen Baumstumpf und betrachtete sein Werk lange. Es war, als sähen die Augen ihn an. Er war ausgelaugt, geistig und körperlich, aber selig. Alles war gut, alles war fertig. Was jetzt nur noch fehlte, war ... das Leben ...
    Der ewige Gärtner wartete. Der Wald sah auf seine Schöpfung herab. Es war nur der Wind, der durch die Wipfel strich, aber die Bäume schienen mit ihren Ästen zu winken, den neuen Freund zu begrüßen. Die Vögel zwitscherten fröhlich dazu, den ganzen Tag lang, bis der Abend hereinbrach.
    Orrien Alar blieb auf dem Stumpf hocken und starrte den Freund an, der aus seinen toten Augen zurückstarrte. In der Dunkelheit schienen sie von innen heraus zu leuchten. Alars Herz schlug schneller.
    Lebe!, dachte er. Bewege dich! Gib mir ein Zeichen!
    So saß er die ganze Nacht. Der Wald schwieg und erwachte am Morgen wieder. Und der Freund rührte sich nicht. „Lebe!", schrie Alar. „Lebe endlich! Sprich mit mir!"
    Ringsherum war Leben. Alles war Leben. Selbst der Stumpf, auf dem Orrien Alar saß, war nur auf den ersten Blick totes Holz. In Wahrheit war auch er eine Welt für sich, in der Millionen unsichtbarer Mikroben ihre Heimat besaßen.
    Nur der Freund ... war stumm. Das eingebildete Feuer in den Augen war erloschen. Ein Vogel kam herangeflogen und pickte daran. Der Gärtner sprang mit einem Schrei auf. Er schlug nach dem Vogel, bekam ihn

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