226 - Das Schädeldorf
kehrte zu der runden Plattform in der Mitte des kuppelförmigen Labors zurück, in dem sich der HydRat seit einiger Zeit mit Vertretern der verschiedenen Wissenschaften beriet. Während sie wieder in ihrem eiförmigen Sessel Platz nahm, schüttelte neben ihr Eul’nat, der oberste Sicherheitsbeauftragte von Karsi’signak, ungläubig den Kopf. »Das bedeutet also, der Einschlagspunkt des Kometen ist nicht berechenbar?«
Ein Wissenschaftler von gedrungener Gestalt und lindgrüner Färbung meldete sich zu Wort. »Doch, schon. Aber wir gehen davon aus, dass die Menschen mit ihrer Technologie versuchen werden, den Kometen abzufangen. Sollten sie nicht erfolgreich sein, gehen wir weiterhin davon aus, dass ihre Waffen das Objekt von seinem jetzigen Kurs abweichen lassen könnten. Nach diesen geschätzten Berechnungen würde der Komet im asiatischen Raum einschlagen!«
»Gut, gehen wir einfach davon aus, dass es so sein wird!« Auf Eul’nats breitem Schädel senkte sich sein Flossenkamm. Nachdenklich blickte er auf die Scheibe, die über die gesamte Plattform aus dem Boden ragte. Sie zeigte eine Seekarte mit den angrenzenden Landmassen. Der oberste Sicherheitsbeauftragte bediente den Zoomschalter und vergrößerte den Ausschnitt der Landmasse, die an das Seegebiet grenzte, das die Lungenatmer das Südchinesische Meer nannten. »Welche Konsequenzen wird der Einschlag für ihre Städte haben?«
»Wir gehen von ihrer völligen Zerstörung aus. Sollten sie nicht vom Feuerschweif des Kometen oder von dessen Trümmerteilen getroffen werden, werden Erdbeben, Flutwellen und die Druckwelle sie vernichten«, antwortete einer der Wissenschaftler.
Für eine Weile herrschte Stille in dem Labor. Sevgil’im legte den Kopf auf ihre Sessellehne. Über ihr waberte die Licht spendende Planktonkuppel. Auch wenn sie sie nicht mit bloßem Auge sehen konnte, so wusste die Hydritin doch, dass unzählige leuchtende Kleinstlebewesen die Bewegung der Decke verursachten. Sie dachte an all die Menschen auf der Oberfläche von Ork’huz. Ist es möglich, dass sie ihren Bestand nach einer solchen Katastrophe noch sichern können? Die Stimme von Eul’nat riss sie aus ihren Überlegungen.
»Bisher haben sich die Lungenatmer immer gegenseitig bekämpft. Ihre Reaktion auf die Bedrohung aus dem All dürfte ein interessantes Forschungsobjekt für uns werden. Allerdings müssen wir uns zunächst um unsere eigenen Belange kümmern.« Während er die Scheibe mit der Seekarte im Fußboden versinken ließ, sprach er die menschlichen Waffenarsenale an, die in der Nähe von Tunnelröhren und Beobachtungsstationen gelagert waren.
»Bislang haben wir sie geduldet. Karsi’signak liegt zu weit im Meer, um davon bedroht zu sein. Und unsere Beobachter vor Ort hatten die Situation stets unter Kontrolle. Wir mussten nie befürchten, dass Röhre und Stationen beschädigt werden könnten. Doch der Komet ändert das: Bei seinem Einschlag werden die Arsenale explodieren. Wir müssen also entsprechende Vorkehrungen treffen!«
Nachdem der Hochrat eine Weile über Art und Organisation der Maßnahmen diskutiert hatte, wurde Sevgil’im beauftragt, sich darum zu kümmern.
Innerhalb kurzer Zeit hatte sie Teams zusammengestellt und zu den verschiedenen Stationen beordert. Jetzt machte sie selbst sich mit ihrer Mannschaft auf den Weg zu den Transportquallen. Denn es gab ein Arsenal, um das sie sich persönlich kümmern wollte: an der Forschungsstation im Flussdelta. Während sie sich einem der Ausgänge Karsi’signaks näherte, dachte sie an Ytim’len. Das letzte Mal hatte sie ihn fünf Rotationen vor der Versiegelung der Station getroffen. Ob er immer noch als Lann Than in dieser Gegend lebte?
***
Dezember 2011, im Tunnelsystem, Mekong-Delta
»Vater, willst du uns nicht endlich aufklären, wozu um alles in der Welt wir dieses ganze Zeug hierher schleppen?« Suon Than, der Ältere von Lann Thans Söhnen, deutete auf die Karren, die sie von dem Lastwagen an der Straße die Uferböschung herunter geschafft hatten.
»Das ist ja unsere halbe Wohnungseinrichtung und Verpflegung für mindestens zwei Jahre! Und dreimal so viel ist noch auf dem Laster!«, bemerkte Duon Than, der jüngere Sohn.
Lann schaute die beiden feierlich an. »Ja, es wird Zeit, euch aufzuklären. Ich musste bis jetzt schweigen, damit es kein Gerede gibt. Diese Sachen sind für den Schutzraum, in dem wir das Kommen des Kometen überleben werden.«
Die Söhne blickten abwechselnd sich und dann ihren
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