2260 - Im Arphonie-Sternhaufen
Geborgenheit - doch es war nicht wirklich lebendig.
Lebendig war nur Charzane, wenn sie sich denn einmal dazu bequemte.
Nicht, dass Naida sich an Bord der SCHWERT allein gefühlt hätte; sie lebte nicht mehr in der Geborgenheit eines Planeten, doch dafür hatte sie den Weltraum mit seinen Strahlungen und Gezeiten, die ebenfalls wie Stimmen zu ihr sprachen. Sie hatte neue Freunde gefunden und war stolz darauf, die Stellare Majestät begleiten und unterstützen zu dürfen. Aber das änderte nichts daran, dass Charzane ihr „Anker" war, wenn sie die Erinnerung an ihre Heimat und die damit verbundene Trübsal überkamen.
Ihre größte Angst war und blieb, dass ihr kleiner Freund doch noch entdeckt wurde und man ihn ihr wegnahm. Es stand zwar nirgendwo geschrieben, aber natürlich war ihr klar, dass für ein Tier an Bord kein Platz war. In der Hinsicht war Zephyda streng. Sie würde in Charzane eine mögliche Gefahr sehen, die vielleicht Keime einschleppte oder irgendwelchen Unsinn anstellte. Naida schloss sie zwar immer in ihrer Kabine ein, wenn sie nach draußen ging, doch sie bezweifelte, dass die Stellare Majestät das gelten lassen würde.
Naida konnte das ja irgendwie auch verstehen. „Komm, Charzane", flüsterte sie und versuchte zu ignorieren, was aus dem Weltraum an Eindrücken auf sie eindrang. Sie drückte das immer noch zitternde Tier an ihre Brust wie eine besorgte Mutter ihr Junges. „Komm, sieh mich an. War es sehr schlimm für dich? Sag doch endlich etwas."
Sie verzweifelte fast. Sie wusste, dass sie nicht ewig hier bleiben konnte. Die anderen Motana hatten sich bestimmt längst in der Höhle versammelt, soweit sie nicht in der Zentrale waren. Naida war zwar aufgrund ihrer „Unpässlichkeit" entschuldigt, aber den anderen ging es jetzt bestimmt nicht viel besser. An jene zwölf, die Zephyda bei der Durchquerung der DISTANZSPUR als Quellen gedient hatten, mochte sie gar nicht denken. Bestimmt befanden sich einige von ihnen in der Medo-Station. „Charzane!", rief die Motana hilflos. „Jetzt stell dich nicht stur! Ich weiß doch, dass du mich hörst!"
Sie begann einen Choral zu singen, der das Tier beruhigen sollte. Er misslang fürchterlich.
Umso größer war Naidas Erleichterung, als sich der Kopf des Wagwas, das ihr im Übrigen nicht erst seit heute schwerer als normal vorkam, endlich aus dem zusammengerollten Knäuel herausstreckte.
Fast hätte sie einen Jubelchoral gesungen. Aber irgendetwas lähmte ihre Kehle.
Es war die Art, wie Charzane sie ansah. Die großen, runden, hellroten Augen schimmerten feucht.
Aber das war es nicht. Es war der Blick. Wenn er nur Angst ausgedrückt hätte, hätte sie es verstanden. Doch sie sah etwas anderes darin. Sie wusste nicht, was es war, aber es verwirrte sie so, dass sie ihre eigene Missbefindlichkeit vergaß. „Was willst du mir sagen, Charzane?", fragte die Motana. „Wenn ich dich nur verstehen könnte."
Normalerweise bereitete ihr das keine großen Schwierigkeiten. Sie vermochte die Stimmungen von Tieren aus deren Augen herauslesen. In diesem Fall aber versagte ihr Talent.
Charzane hatte aufgehört zu zittern. Sie versuchte es noch einmal, und jetzt glaubte sie, außer der verständlichen Angst und Unsicherheit etwas ganz anderes in ihren Augen zu sehen - etwas, das sie heftig erschrecken ließ.
Da war ... Aggression! Aber das hatte sie noch nie erlebt! „Charzane", sagte sie mit einem Kloß im Hals. „Was hast du? Was ...?
Das Wagwa war so schwer! Viel schwerer noch als vor zwei Tagen - viel schwerer als vor dem Hineingerissen werden in die DISTANZSPUR!
Es war keine Einbildung. Naida sah jetzt auch, dass das Fellknäuel größer geworden war. Charzane rollte sich oft zusammen und plusterte das Fell auf wie ein Vogel. Aber das kannte sie. Was sie hier in den Händen hielt, war fast doppelt so groß wie sonst. Mehr noch: Sie hatte sogar das Gefühl, dass es wuchs, während sie hinsah! „Pass auf", sagte sie unsicher. Dann setzte sie das Tier auf einen Tisch, der einem Baumstumpf nachgebildet war, mit einer Scheibe aus dickem Wurzelholz darauf. Charzane keckerte unwillig. Es schien ihr nicht zu gefallen - aber viel weniger sagte ihr zu, dass die Motana begann, ihren zusammengerollten Körper auseinander zu biegen, zuerst die Ärmchen, dann die Beine. „Oh nein!", stieß sie mit halb erstickter Stimme aus. „Das ... das kann doch nicht sein!"
Das Wagwa starrte sie an, und jetzt konnte es keinen Zweifel mehr geben. Charzanes Blick war nicht
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