227 - Herr des versunkenen Reiches
Unsterblichkeit erlangt: Fünfzig Jahre lang sollte de Rozier nur minimal altern. Doch nach Ablauf dieser Zeit würde er binnen weniger Tage zu Staub und Asche zerfallen.
Als Matt ihm begegnete, hatte für den Kaiser die Uhr des Todes bereits zu ticken begonnen. Die einzige Möglichkeit, sie zu stoppen, lag in einem abermaligen Kontakt mit dem Zeitstrahl. Der existierte noch, das wusste Matt. Schließlich war er in ihm vom Mars zur Erde zurück gelangt. Doch er war für Menschen unsichtbar. Außer für Yann, und das brachte ihre neuerliche Begegnung zustande.
Yann Haggard war ein todkranker Mann. Er litt unter einem Gehirntumor, der unaufhaltsam wuchs und ihm mit diabolischer Gleichgültigkeit das Leben weg fraß. Yanns linkes Auge war bereits erblindet, und seine permanenten Kopfschmerzen hatten sich ins Unerträgliche gesteigert. Aber noch gab es keine Ausfallerscheinungen. Keinen Schlaganfall, keine Lähmungen, kein Sinnesverlust. Im Gegenteil.
Der unglückliche Mann hatte eine Wahrnehmungsfähigkeit dazu gewonnen, und auch wenn er sie liebend gern gegen seine Heilung oder einen gnädigen Tod eingetauscht hätte, war sie schlussendlich doch zu etwas gut: Yann konnte Energieflüsse sehen. Bewegungsbedingte Fahnen aus Bioenergie, die vorbeilaufenden Menschen anhaften. Auren, Reststrom, galaktische Entladungen. Alles blau flimmernd eingefärbt und lokalisierbar. Yann brauchte nur darauf zu zeigen.
Matt und Kaiser Rozier nahmen ihn mit auf die Suche nach dem Zeitstrahl, und sie hatten Erfolg bei ihrem Wettlauf gegen den Tod. Mehr noch, sie brachten sogar jemanden in die wirkliche Welt zurück, der seit ewigen Zeiten als verschollen galt: den Weltenwanderer Gilam’esh.
Dieser uralte Hydree, der von den heutigen Hydriten wie ein Gott verehrt wurde, weil er seinen Anhängern den Weg des Friedens erschlossen hatte, konnte in andere Körper überwechseln. War der seine verbraucht und alt, sprang er in einen neuen über. Vorzugsweise in einen seelenlosen Klonkörper, um niemandem die Freiheit des Seins zu nehmen. Unglückliche Umstände aber hatten dazu geführt, dass Gilam’esh nach seiner tödlichen Verletzung auf dem Mars nicht mehr rechtzeitig mit einem anderen Körper in Berührung kam. So blieb der Geist des Weltenwanderers im Zeitstrahl gefangen. Endlos scheinende Äonen – dreieinhalb Milliarden Erdjahre lang! Bis das Luftschiff des Kaisers auftauchte und Gilam’esh die Chance bekam, einen der Passagiere zu okkupieren. Wenigstens vorübergehend.
Dieser Eine war Yann Haggard.
Yann fand es überhaupt nicht witzig, in seinem Kopf einen Untermieter zu beherbergen. Aber er akzeptierte Gilam’eshs Anwesenheit, weil dieser ihm die Schmerzen hinter dem linken Auge nahm. Nachdem ja auch Yann den Zeitstrahl durchquert hatte, würde auch er fünfzig Jahre lang nicht altern. Diese Zeit in permanenter Agonie zu verbringen, hätte ihn unweigerlich in den Selbstmord getrieben. Der Weltenwanderer hielt die Schmerzimpulse auf – und versprach darüber hinaus, dass sie in Gilam’esh’gad einen Weg finden würden, den Tumor zu entfernen.
Trotzdem war es eine schwierige Situation, und sie wurde noch brisanter, als sich herausstellte, dass Matts Gefährtin ebenfalls einen Quan’rill (so nennen sich die hydritischen Geistwanderer) in sich trug. Aruulas »Mitbewohnerin« hatte einst im Körper der Nefertari an der Seite Ramses II. über Ägypten geherrscht, bis ihr eigener Sohn sie lebendig begraben hatte, um an die Macht zu gelangen. Jahrtausende hatte sie das Gehirn eines Skarabäus, der mit in den Sarkophag gelangt war, am Leben erhalten und so ihren Geist retten können – bis Aruula den Sarg öffnete und sie einen neuen Körper fand.
Dank ihrer telepathischen Fähigkeiten hatte Aruula sich gegen Nefertari, die mit hydritischem Namen E’fah hieß, wehren und verhindern können, dass sie sie aus ihrem Körper verdrängte. Gemeinsam waren sie ins Reich des Kaisers de Rozier gelangt, wo sie endlich Matt wieder getroffen hatte – und Yann in seiner Begleitung, der den Geist des Propheten Gilam’esh beherbergte.
Der konnte sie überreden, ebenfalls in Haggards Körper zu wechseln und Aruula freizugeben. Der Seher hatte zugestimmt, weil Gilam’esh ihn vor dem Wahnsinn bewahrte und außerdem versprach, dass beide Geister bei nächster Gelegenheit in Klonkörper umziehen würden, die in Gilam’esh’gad stets bereit standen.
Doch inzwischen schien Yann zunehmend genervt von den Stimmen in seinem Kopf. Dabei machte es
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