2272 - Sturm auf Graugischt
andere tiefe Atemzug klang wie ein gequältes Seufzen.
Dann waren nur noch Zephydas Schritte zu vernehmen.
Wenige Meter vor der transparenten Kugel zögerte die Epha-Motana und schaute sich um.
Wahrscheinlich, glaubte ich in dem Moment, wird gar nichts geschehen. Selbst Kunstgeschöpfe überdauern die Jahrtausende nicht so leicht wie reine Technik.
War da eine Bewegung?
Eine der Quellen schlug sich die Hand vor den Mund. Aber der Vernetzer ...? Nein, ich war mir nicht sicher. „Es muss funktionieren", raunte Lyressea. „Es muss einfach. Sonst haben wir gar keine Chance."
Zephyda ließ die Puppe so weit sinken, dass ihre Füße den Boden berührten.
Nichts geschah.
Der nächste Schritt. Die Motana stand nun unmittelbar vor der aufgeklappten Kugel. In dem Moment, hatte ich den Eindruck, schüttelte Vernetzer Eins Zephydas Hände mit einer unwilligen Schulterbewegung ab. Tatsächlich. Sie hielt ihn nicht mehr fest, und er stand aus eigener Kraft aufrecht da. Vor wenigen Augenblicken wäre die Gestalt noch schlaff in sich zusammengesunken.
Zwölf tausend Jahre Lagerung in einer reinen Stickstoffatmosphäre hatten diesem Geschöpf nichts anhaben können. Es bewegte sich so sicher und zielstrebig, als wäre es nie seines Bewusstseins beraubt gewesen.
War es das überhaupt? Woher wollte ich wissen, dass die Tausende Vernetzer, die wir gesehen hatten, nicht jede Minute ihres Daseins bewusst erlebten? Aber ließ sich so etwas mit Carya Andaxis Moral vereinbaren?
Vernetzer Eins hatte noch keinen Laut von sich gegeben. Womöglich besaß er nicht einmal die Möglichkeit einer akustischen Verständigung.
Mit einer überaus geschmeidigen Bewegung betrat er die transparente Kugel und zögerte keinen Augenblick lang, sich in den Sessel vor dem Hufeisenpult zu setzen. Gleichzeitig, was wir vorher auf keine Weise erreicht hatten, schloss sich die Kugelschale.
Ein nie gehörter schriller Ton heulte durch die SCHWERT. Er brach nach fünfzehn, allerhöchstens zwanzig Sekunden wieder ab. „Der Kreuzer befindet sich nun im Vernetzer-Modus!", sagte Lyressea bedeutungsvoll und so laut, dass alle es hören konnten. „Ich bitte alle Quellen, wenigstens während der ersten Zeit ihre Kräfte unter Kontrolle zu halten."
Keine der Frauen fragte nach. Die meisten hatten in dem Moment ohnehin nur Augen für die geschlossene Kugel, die sich in die Bugwand integriert hatte.
Vernetzer Eins bewegte sich nicht mehr. Er schien zu warten.
Minuten später hatte ich den Motoklon und zwei Wächter vor der Kugel postiert. „Sobald der Vernetzer nur den geringsten Verdacht auf Handlungen aufkommen lässt, die gegen das Schiff und seine Mannschaft gerichtet sind, vernichtet ihn!", befahl ich. „Und das ohne jeden Kompromiss."
Deitz Duarto hatte sich regeneriert. Wenigstens in dem Moment schaffte er es, seine körperlichen Gebrechen zu ignorieren. Sogar seine mechanisch veränderte Stimme erschien ihm kräftiger und bedrohlicher als jemals zuvor.
Die Anspannung der Kybb-Giraxx in der Zentrale war auf ihn übergesprungen, vor allem hatte er sich gern mitreißen lassen, erinnerten ihn solche Einsätze doch an längst vergangene Zeiten, als seine Muskulatur kräftig und die Knochen belastbar gewesen waren. Oft hatte er den Kampf Mann gegen Mann gesucht und jeden Streit für sich entschieden, bis ... Er ignorierte die schlimme Zeit, seine Unschlüssigkeit, die Zweifel, sogar den misslungenen Versuch, sich selbst das Leben zu nehmen. ... bis der Herr Tagg Kharzani ihn zum Prim-Direktor gemacht hatte. An jenem Tag hatte sein neues Leben im Schutz der Direktoren-Maske begonnen. „Das letzte Flottenkontingent wird in Kürze zwischen den äußeren Planeten materialisieren!", meldete der Leitende Offizier der DRIITH. Unausgesprochen blieb seine Erwartung, dass dann endlich der Angriff auf Graugischt erfolgte.
Deitz Duarto spürte die eigene Erregung immer stärker. Am liebsten hätte er sich eingerollt und die Stacheln abgespreizt, doch er hätte die Bewegung nicht einmal mehr annähernd geschafft, ohne vor Schmerzen zu brüllen.
Wie lange noch?
Der Schatten schwebte hinüber zu den Ortungspulten. Ihn erfüllte mit Genugtuung, dass die Kybb-Giraxx sofort die Köpfe einzogen. Sie fürchteten ihn. Dabei hätte selbst der Geringste seiner Besatzung keine Mühe gehabt, ihn im Kampf zu töten. „Sie kommen!"
Nur mit Mühe unterdrückte Deitz Duarto seinen eigenen Aufschrei. Hunderte Schiffe materialisierten nicht sehr weit von der DRIITH entfernt.
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