2273 - Der gefallene Schutzherr
Hätten die in Jamondi gebliebenen Schutzherren diese Waffe gehabt, dann hätten sie sie zweifellos auch eingesetzt. Also blieb nur die Möglichkeit, dass sie in Andaxis Besitz war.
Die verhasste Todfeindin besaß die Macht, ihm alles zu nehmen - sein Schloss, seinen Planeten. Und er konnte nichts dagegen tun!
Die verhasste und zutiefst verabscheute Carya Andaxi, die zu allem Überfluss wahrscheinlich ebenfalls noch über ihren Schutzherren-Porter verfügte!
Du steigerst dich in diesen Gedanken hinein!, warnte Enkrine. Du bist paranoid, merkst du es nicht? Ein paranoider Monomane, das bist du!
Kharzani hörte nicht auf die Worte, schon gar nicht auf deren Sinn. Nichts, keine Stimme der Vernunft, hatte mehr Zugang zu ihm. Woher auch? Er hatte sich vollkommen isoliert und hielt nur noch über Funk Kontakt mit den Kybb, die all das taten, wozu er nicht in der Lage War, wollte er sich nicht den Millionen Gefahren aussetzen, die draußen auf ihn lauerten. Überall! Nicht nur auf den Planeten! Auch im Weltraum, im Vakuum zwischen den Sternen trieben die Erreger -unsichtbar, mikroskopisch klein, aber tödlich!
Sein Leben war in Gefahr, jede Sekunde, die ihn von seinem Schloss trennte. Tagg Kharzani, vielleicht der mächtigste Mann der Galaxis, verwandelte sich mit den Jahren in ein Nervenbündel, ein schreiendes, durch die endlosen Gänge und Schächte des Titanen tobendes Wrack, geistig und körperlich. Es musste etwas geschehen, um diesen Zustand zu ändern, den Wahnsinn zu beenden!
In den durchwachten Nächten reifte ein Plan in ihm heran, ein aus der Verzweiflung geborener Gedanke, der so nur einem kranken Hirn entspringen konnte.
Er besaß noch seinen Porter. Die Schutzherren-Porter stammten entweder aus einer Kosmokratenwerft oder aus einer Werft, die von Kosmokratendienern betrieben worden war, irgendwann in grauer Vorzeit.
Wenn es also ein Raumschiff gab, phantasierte Kharzani sich in seinem fortschreitenden Wahn zusammen, das mächtig genug war, um den Hyperkokon rings um Jamondi in allen Richtungen zu durchstoßen, war es der Porter!
Der Plan war im Grunde so abwegig nicht, aber die Hast und die Eile, mit der Tagg Kharzani sich an dessen Realisierung begab, waren paranoid. Er dachte den Gedanken nicht weiter, ließ keine Wahrscheinlichkeitsberechnungen anstellen oder Tests durchführen. Er setzte alles auf eine Karte, aber immerhin war er zumindest so „vernünftig", sich nicht selbstan Bord zu begeben, als er den Porter losschickte. Selbst in ihm sah er den Tod auf sich warten - wenn auch in anderer Form, als er hätte befürchten sollen, ja müssen.
Er beobachtete von seinem Titanen aus, auch sicherer Warte - falls es so etwas wie Sicherheit überhaupt noch für ihn gab -, wie sich die riesige Walze dem „Rand" des sichtbaren Universums, des Jamondi-Sternhaufens, und der „Haut" des Hyperkokons näherte. Er hielt den Atem an, als sie mehr und mehr darauf zubeschleunigte. Er bebte am ganzen Leib, als der Porter mit einem Mal halb zu entstofflichen schien - und starb fast, als er mit einer Wucht explodierte, die noch Lichtsekunden entfernt einige Beobachterschiffe mit in den Untergang riss.
Er konnte es nicht fassen. Sein unbesiegbarer Porter, die gewaltige Festung -zerstört! Seine letzte Hoffnung - dahin! Er war und blieb gefangen im Sternenozean von Jamondi.
Nein! Es durfte nicht wahr sein! „Es muss einen Weg geben." Stundenlang murmelte und krächzte er nur diesen einen Satz. „Es muss einen Weg hinaus geben ..."
Es gibt keinen, hielt Enkrine dagegen. Wann wirst du es endlich einsehen? „Nie!", schrie er. „Nie, niemals! Hörst du? Nie!"
Die Angst, die furchtbare Angst, die er schon einmal besiegt zu haben glaubte, daheim in seinem Schloss. Sie kam gekrochen, jeden Tag, wenn er erwachte, falls er überhaupt noch Schlaf fand. Sie hatte ihn fest in ihrem Griff. Sie würgte ihn. Sein Körper magerte immer mehr ab, soweit das überhaupt möglich war. Er siechte langsam dahin.
Paradoxerweise war es gerade die Angst, die ihn in diesen Tagen aufrecht hielt. Was Enkrine mit seinen Einflüsterungen und Appellen nicht schaffte, gelang ihr. Nun war sie der Stachel in seinem fleischlosen Körper; die einzige Triebfeder, die ihn in Gang hielt und seine Gedanken antrieb.
Die Unsterblichkeit...
Sie ließ ihn nicht los. Sie hatte es nie getan. Er träumte davon. Obwohl es keinen Beweis dafür gab und obwohl Enkrine protestierte und warnte, bettelte und flehte - er hatte einmal angefangen, darüber zu
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