2280 - Exil der Orakel
Wehmütige, das Innere berührende Stimmen erweckten Sehnsucht, um nur wenige Momente später tiefste Glücksgefühle zu erzeugen, den Weg in die Herzen aller zu finden und das, was sie empfanden, sprichwörtlich in den Äther hinauszutragen.
Selbst sie, die Schildwachen, setzten ein, anfangs zögerlich, dann immer kräftiger.
Atlan, der Arkonide, der sich respektvoll hinter Zephyda hielt, brummte mit seiner tiefen, aber sauberen Stimme mit. Selbst der Shozide Rorkhete fiel schlussendlich krächzend ein.
Der „Choral an die helle Freude" klang schöner als das fröhliche Zwitschern der Vögel nach einem langen Winter, glücklicher als das Weinen einer Mutter nach ihrer Niederkunft und befriedigter als das Seufzen eines jungverliebten Pärchens nach der ersten gemeinsam verbrachten Nacht.
Atjaa flössen Tränen über die staubbedeckten Wangen, während er die so lange vermisste Lyressea umarmte und herzte. Liebe, so war er in diesem Moment überzeugt, bildete die stärkste Triebkraft im Leben, und hätte sie eine physische Gestalt besessen, hätte sie wohl die Kybb mit einem einzigen Schlag aus diesem Universum gefegt.
Und um den Eindruck, es gäbe keine Steigerung ihres Glücks mehr, sofort augenblicklich ad absurdum zu führen, materialisierte die energetische Spirale des Paragonkreuzes mitten unter ihnen.
Der Informationsaustausch kurz darauf an Bord der SCHWERT brachte für beide Seiten neben viel betrüblichen auch eine Menge erfreulicher Neuigkeiten.
Lyressea erzählte von Tagg Kharzani, dem Herrscher über die Kybb, der im Arphonie-Haufen eines Gutteils seiner Macht verlustig gegangen war. Carya Andaxi lebte und hatte gemeinsam mit der Stellaren Majestät und den freien Völkern Arphonies - darunter sogar Shoziden! - die „Allianz der Moral" gegründet und die SCHWERT sogar mit einem „Vernetzer" ausgestattet, der das Potenzial des Schiffes voll auszuschöpfen half. Cranar, Traken und andere Kybb-Völker im so genannten Arphonie-Haufen hatten keinen leichten Stand mehr, die Zeit der Unterdrücker neigte sich hoffentlich bald ihrem Ende zu.
Auf der Negativ-Seite stand die Erkenntnis, dass es nach wie vor kein Rezept gegen die Titanen gab; jene ausgefranst wirkenden Kugel-Ungetüme, die mit unvergleichlicher Feuerkraft und ebensolchen Beschleunigungswerten aufwarteten, erschienen unbesiegbar.
Elf zusätzliche Vernetzer befanden sich an Bord der SCHWERT. Sie wurden auf Bionische Kreuzer mit bereits kampfbewährten und gut ausgebildeten Motana-Mannschaften verteilt. Insgesamt standen somit weitere zwölf voll gefechtsfähige Schwingenkreuzer zur Verfügung. Was zwar angesichts der achttausend reaktivierten Todbringer-Einheiten der Ersten Flotte wie eine Augenwischerei wirkte, aber für elf seit längerem aktive Bionische Kreuzer eine enorme Aufwertung bedeutete. Zudem waren die meisten Besatzungen der Todbringer-Geschwader gänzlich unerfahren. Erst im Einsatzfall würden sie die Chance bekommen, ihre Qualitäten unter Beweis zu stellen.
Zephyda, die in der Zeit ihrer Abwesenheit an Größe und Ausstrahlung gewachsen schien, nahm die Vernichtung Baikhal Cains, ihres Heimatplaneten, mit blassem Gesicht hin.
Atjaa bewunderte die sterbliche Frau, die bereits so viele Schicksalsschläge hatte hinnehmen müssen. Benötigte sie noch die Stütze durch Atlan, den Arkoniden? Oder war sie ihrem Lehrmeister an Weisheit und Erfahrung schon gewachsen? Das wohl nicht - aber sie befand sich auf dem richtigen Weg. Auf einem schmerzhaften, von schweren Verlusten gezeichneten Weg, der vorerst kein Ende und schon gar keine Grenzen zu haben schien. „Ich will versuchen, Atlan zum Schutzherrn weihen zu lassen", unterbrach Lyressea Atjaas Gedanken.
Seine Schwester wirkte konzentriert, aber auch ein wenig unsicher. Oder gar... verzweifelt? „Sagtest du nicht gerade eben noch, das Paragonkreuz warne vor einem solchen Vorgehen? Dass die Weihe mit der Ritteraura kollidieren und Atlan töten oder wahnsinnig machen könnte?", fragte Atjaa. „Ich war während dieses ersten Versuchs alleine. Nun sind wir hier versammelt. Alle sechs Geschwister. Und das Paragonkreuz. Es muss funktionieren..."
Atjaa blickte zum Arkoniden, der ein. wenig abseits von ihnen stand und die Unterhaltung mit steinerner Miene verfolgte. „Was meinst du, Atlan?"
Der hoch gewachsene Mann mit dem weißen Haar schwieg, schüttelte nur leicht den Kopf.
Der Arkonide hatte keine Angst, das war ihm anzusehen. Aber er besaß wohl den Instinkt, die Situation
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