2280 - Exil der Orakel
Kreuzer der Ersten Flotte geborgen, geschweige denn bemannt, aber die Fortschritte waren unübersehbar. Schon jetzt konnte man sagen, dass die reaktivierten Todbringer für einen Überhang zu Gunsten der Motana im Vergleich zu den Kybb-Streitkräften gesorgt hatten - wenn man die Kybb-Titanen außer Acht ließ.
Heute war ein besonderer Tag. Für Atjaa galt, im Kreis seiner Brüder und Schwestern die weitere Vorgehensweise im Kampf um den Sternenozean von Jamondi festzulegen. Vertreter mehrerer ehemals geknechteter Völker waren anwesend. Dutzende Planetare Majestäten warteten in der Feste von Roedergorm darauf, gehört zu werden; zudem waren indes besondere Gäste angekommen, die Aufmerksamkeit verdienten.
Von den fünf Ausbildungszentren kamen ausnahmslos positive Nachrichten. Und dennoch ... „Ich vermisse sie!", sagte Atjaa impulsiv.
Er zog die Blicke seiner Schwestern und Brüder augenblicklich auf sich. Sie alle wussten, wovon er redete. „Wir vermissen sie alle", erwiderte Catiaane nach einigen Augenblicken. „Ohne Lyressea sind wir nicht komplett. Aber der Aufgabenberg ist riesig, und es muss einfach weitergehen. Wir haben auch damals fortgesetzt, als du verschollen warst, Atjaa."
Ja, seine Geschwister hatten die Erfahrung, nicht vollständig zu sein, bereits einmal durchgemacht. Doch was war ihr Schmerz gewesen im Vergleich zu dem seinen, den er in den Jahren des Alleinseins gespürt hatte?
Würde Lyressea, wo auch immer sie gerade war, genauso leiden wie er damals?
Catiaane, die Eherne Schildwache, hatte sich längst wieder von ihm abgewandt und begonnen, Statusberichte von zurückeroberten Motana-Kolonien vorzulesen. Diese Sitzungen waren in ihren Inhalten öde - aber dennoch sehr wichtig. Persönliche Zusammentreffen stellten ein dringend notwendiges soziales Band zwischen den Geschwistern her.
Das heulende Auf und Ab einer Sirene setzte unvermittelt ein. Eine Motana kam in den kleinen, spartanisch eingerichteten Versammlungssaal hereingestürmt. „Raumalarm!", schrie sie, rannte sofort wieder hinaus. Schuhe klapperten über das Gestein der jahrhundertealten Gänge der Festung, Rufe wurden laut.
Atjaa und die anderen Schildwachen sprangen hastig auf, folgten der Motana in die provisorische Zentrale der Raumüberwachung. Alarm - das konnte nur bedeuten, dass die Kybb Tom Karthay entdeckt hatten!
Geschäftige Hektik empfing Atjaa. Die Motana wirkten nervös, aber keineswegs überfordert. „Uns wurde ein einzelnes Schiff gemeldet, das in das System eingedrungen sein soll", sagte ein von Narben verunstalteter Motana. „Es nähert sich dem Planeten mit unglaublichen Werten ..."
„Die gesamte Flotte in Bereitschaft versetzen!", ordnete Catiaane an.
Mehrere Funksprüche wurden abgesetzt, andere langten ein, wurden von den Männern und Frauen der Zentrale aufgenommen und analysiert. Bange Momente vergingen. Dort, wo ein Schiff war, konnten binnen weniger Momente Hunderte oder Tausende nachfolgen.
Das Jaulen der Sirene verklang abrupt. „Entwarnung", sagte derselbe Motana erleichtert und blies Luft aus. Seine Augen glänzten. „Es ist ein Bionischer Kreuzer, es ist..."
„Ich kann sie fühlen!", rief Atjaa lauthals. Er legte den Kopf schief und konzentrierte sich auf die Impulse, die sich in seinem Inneren regten.
Er spürte Erleichterung. Sehnsucht. Freude. Liebe. Er fühlte die besonders zarte und sensible geistige Kennung seiner Schwester.
Die Mediale Schildwache war zurück! Ihre Schwester war zurück! Und etwas, nach dem sie sich fast ebenso gesehnt hatten, war gemeinsam mit ihr im Karthay-System angelangt...
Die SCHWERT setzte weich wie eine Feder in der weiten Ebene von Kimkay auf.
Der unangenehme Wind hatte für kurze Zeit ausgesetzt und erlaubte es Atjaa und seinen Geschwistern, Lyressea im Freien zu empfangen, zu umarmen, zu herzen.
Es war ein Moment der Ausgelassenheit und der Freude. Ein Wiedersehen unter Freunden. Auch Atlan und Rorkhete wurden begeistert begrüßt.
Doch der Höhepunkt der so unprätentiös ablaufenden Wiedersehensfeier kam, als Zephyda, die Stellare Majestät, das Schiff verließ.
Unglaubliches spielte sich unter den zigtausend Motana ab, die in einer langen Karawane den Weg in die Ebene hinab genommen hatten. Nicht die Lautstärke ihres Jubels imponierte, vielmehr war es die Kraft der Gesänge. Lieder, die von einem gewaltigen Chor intoniert wurden. Von impulsiv gebildeten kleineren Gruppen, die sich ergänzten und rasch zueinander, ineinander fanden.
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