2286 - Triptychon
Sie hatte das Spiel inszeniert, und wirklich alle fielen darauf herein. „Es tut mir Leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten. Aber es ist sehr ungewöhnlich, dass eine junge Frau sich mit diesem Thema so gut auskeimt."
Klar, noch ein Vorurteil. Sie atmete tief durch und sah dem Studenten ins Gesicht. Er war klein und drahtig, schwarzhaarig, mit glutvollen Augen und einem dunklen Teint. Ein südländischer Typ, auf den die Frauen flogen. Manche fanden ihn sogar unwiderstehlich. Sie sah ihn heute zum ersten Mal in ihrer Vorlesung. „Bist du sehr enttäuscht? Aber ich kann dich beruhigen, mein Wissensstand entspricht dem terranischen Standard in diesen Fragen."
Abwehrend hob er die Hände. „Um Himmels willen! Ich habe deine Arbeiten gelesen. Um ehrlich zu sein, ich habe sie verschlungen. Dass ich dahinter einen Mann vermutete, ist meiner Dummheit zuzuschreiben, sonst nichts." Verlegen sah er zu Boden. Und schien dann neuen Mut zu fassen. „Ich würde mich heute Abend gern bei einem Glas Wein bei dir entschuldigen. Das heißt, wenn du möchtest?"
Sie zuckte die Achseln. „Warum nicht? Meinen nächsten Termin habe ich erst morgen um elf."
„Diese Begegnung war mein Schicksal", sagte sie. „Nie hatte ich etwas auf mein Äußeres gegeben.
Mein Haar trug ich lang, meistens zusammengebunden. Zum Schminken fehlte oft die Zeit, außerdem schien es mir nicht wichtig."
Bis zu diesem Abend. „Verzweifelt fragte ich eine Kollegin um Rat. Ich bekam einen Schnellkurs in Makeup und Frisur.
Ein kritischer Blick in den Spiegel zeigte mir eine Frau mit dunklen Augen, einer durchschnittlichen Figur in eleganter Kleidung und hochgestecktem Haar. Ich kam mir fremd vor. Aber an diesem Abend wollte ich besonders gut aussehen."
„Du siehst immer besonders gut aus", sagte Myles. „Natürlich habe ich mich über mein Benehmen geärgert. Ich führte mich auf wie ein pubertierender Teenager. Aber was konnte ich gegen das Herzklopfen machen, wenn ich an ihn dachte?"
„So schlimm war es?", fragte Myles. Und erweckte dabei den Eindruck, dass er genau wusste, wie schlimm es sein konnte. „Weißt du, Myles, ich muss mich fragen, ob ich überhaupt etwas dagegen unternehmen wollte.
Sei nicht albern, sagte ich mir. Du bist nur eine Einladung zum Abendessen. Wer so aussieht, hat eine Menge Auswahl. Doch es half nichts. Immer wieder wanderten meine Gedanken zu ihm. Dorrian Haies, nicht gerade ein fleißiger Student. Er hing irgendwo im Mittelmaß, war anscheinend zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt."
„Frauen und Parties?" Myles war unbehaglich zumute. Sie sprachen immerhin über Inshanins erste große Liebe. „Was sonst? Er unterschied sich nicht von denen, die zu meiner Zeit ihre Semester vertrödelt haben."
„Und doch wolltest du ihn anders sehen ...?"
Es war ein traumhafter Abend. Dorrian bewies bei der Auswahl des Lokals ein gutes Händchen. Er war in Übung. Inshanin musste sich zusammenreißen, sich immer wieder zur Ordnung rufen.
Was soll er von einer Ausbilderin halten, die sich beim ersten Treffen an ihn schmeißt?
Doch dabei sollte es nicht bleiben. Sie trafen sich fast jeden Abend, erzählten einander Anekdoten von zerstreuten Professoren und erfinderischen Studenten. „Du verbringst zu viel Zeit mit mir. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Deine Noten könnten besser sein. Du müsstest nur mehr lernen", sagte sie eines Tages zu ihm, als sie ihn wieder einmal in seinem kleinen Appartement besuchte. „Die Zeit mit dir ist es mir wert. Was soll ich vor den Büchern sitzen, wenn du mir das alles viel lebendiger erzählst? Ich habe noch nie so viel gelernt wie jetzt." Auf seinem Gesicht lag wieder dieses unwiderstehliche Lächeln. Jedes Mal trieb er damit ihren Puls in die Höhe. Es waren nicht nur die Wangengrübchen, die verwegenen Augen oder sein markant unrasiertes Kinn. Es war die Summe seiner ganzen Erscheinung, die sie gefangen nahm. „Ich helfe dir gern. Du sollst bloß nicht den Eindruck bekommen, ich sei die belehrende Professorin und du der dumme Student."
„Das habe ich eigentlich vom ersten Augenblick an gedacht." Bevor sie etwas erwidern konnte, nahm er sie in die Arme und küsste sie.
Sie hoffte, dieser Moment würde nie vergehen. Sie fühlte sich so leicht, so weit weg von allen weltlichen Dingen. „Habe ich ...?" Er hielt inne. „Du weinst ja!" Mit der Fingerspitze wischte er die einsame Träne weg. „Nein. Ich dachte, du würdest mich nie ..."
Dorrian drückte sie an sich. „Ich war mir
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