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2289 - Der eiserne Finger Gottes

Titel: 2289 - Der eiserne Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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das Buch weg, das er in der Linken gehalten hatte, und hob die Hand.
    Krallen, mit denen er jedes andere Raubtier der Wüsten und Steppen hätte zerfleischen können.
    „Geht! Und du, Knecht, knie nieder, wie es sich gehört!"
    Tum gehorchte. Während hinter ihm die Tür geschlossen wurde, sagte er sich, dass dies Niederknien ihm beinahe ein Bedürfnis war. Unter gesenkten Lidern betrachtete er den Mächtigen, der neben den Schreibtisch trat. Nicht so lange her, dachte Tum, dass wir alle Raubtiere waren, und er ist einer von denen, die noch Verbindung zur Vergangenheit haben.
    König des Rudels.
    Der Priester ließ ihn knien. Er schwieg, schob Stifte und Blätter auf dem Tisch hin und her, als ob er nach etwas suchte. In seinen Räumen, in der Grache, brauchte er keine Schutzkleidung. Deshalb war er nackt. Das mächtige Zeugungsglied wirkte eher wie eine Nahkampfwaffe, und als Tum verstohlen aufschaute, war er keineswegs verblüfft, dass der Kopf, von unten gesehen, fast nichts Zivilisiertes hatte: Es war der Schädel eines furchtbaren alten Raubtiers.
    „Steh auf!" Die Stimme riss ihn förmlich hoch, und der Anblick der entblößten gelblichen Reißzähne ließ ihn einen halben Schritt zurücktaumeln. „Heute Abend werde ich bei deinem Herrn sein. Er hat mich und andere aus der Grache zu seinem ... Vortrag eingeladen."
    So, wie er Vortrag sagte, klang es wie lächerlicher Kinderkram.
    „Ja, Heiliger."
    „Du, Gewürm aus Taraon, wirst mir in Zukunft berichten, was dein Herr zu tun beabsichtigt."
    „Ja, Heiliger."
    „Und zwar immer dann, wenn etwas Neues geschieht. Und immer dann, wenn du mit deiner Gespielin in den Tempel kommst. Heb den rechten Arm!"
    Tum gehorchte. Er sah die linke Hand des Priesters vorstoßen, so schnell, dass keine Bewegung der Abwehr möglich war, selbst wenn er es gewagt hätte, sich zu wehren. Die Kralle des Deuters, noch länger und schärfer als die von Daumen, Halter und Schließer, riss ein kleines Stück Fleisch aus Tums Oberkörper.
    Erst als das Fleisch bereits hinter den Zähnen des Priesters verschwunden war, erreichte der brennende Schmerz Tums Gehirn. Er biss die Zähne zusammen, um nicht zu schreien.
    „Geh. Und erinnere dich daran, wenn du zögern willst. Ich bin Sarrukhat. Frag nach mit, wenn du etwas zu melden hast. Wenn du es versäumst, werde ich mich mit dir vergnügen."
    Sarrukhat hob den Deuter der linken Hand; Tum bildete sich ein, an der Kralle noch ein wenig Blut zu sehen. „Mit dir vergnügen", wiederholte der Priester. „Und mit deiner Gespielin. Hinaus!"
     
    *
     
    Die Büttel brachten ihn zu einem der tausend Nebeneingänge der Grache und stießen ihn ins Zwielicht der Nacht. Am gleißenden Sternenhimmel schienen die Monde zu tanzen.
    Gierig, fast keuchend sog Tum die Luft der Stadtmitte ein. Sie war immer noch stickig, aber plötzlich nahm er eine Vielzahl von Gerüchen war, die er zuvor alle nicht gerochen hatte.
    Oder vielleicht hatte er sie gerochen, aber nicht bemerkt. Es war, als sei im Tempel etwas mit seinem Inneren geschehen. Ich fühle mich wie von innen nach außen gekrempelt, dachte er; dann verbesserte er sich stumm: Nicht von innen nach außen - etwas Uraltes, lange verschüttet, ist an die Oberfläche gekommen. Er wollte grollen, laut knurren, sich des ledernen Schurzes entledigen, auf allen vieren durch die Gassen rasen.
    Ist das die Macht der Priester? Ein Ritzer mit der Kralle, und zehntausend Jahre Entwicklung sind ausgelöscht. Werde ich zu dem Raubtier, das meine fernen Ahnen waren?
    Hat das Raubtier Sarrukhat mich angesteckt?
    Er ließ die Arme baumeln. Den rechten spreizte er ein wenig ab, um die Wunde nicht zu reiben. Die Wunde, die er sich gern geleckt hätte. Aber sie war an einer Stelle, wo er sie nicht mit der Zunge erreichen konnte.
    Wieder stieg ihm ein tiefes Grollen in die Kehle.
    Dann schluckte er, schluckte es, schluckte die Vergangenheit hinunter, kämpfte sie nieder.
    Er wollte nicht Raubtier werden.
    Raubtier vielleicht, dachte er. Aber ich will nicht werden wie Sarrukhat. Ich will ihn in Sand ersticken. Ihn und die anderen und alles, was uns daran hindert, endlich frei zu sein.
     
    *
     
    Ayiska kauerte neben der Tür neben der Schmiede. Wie ein zugleich verstörtes und sprungbereites Tier, dachte er; hat sich denn in der furchtbaren Nacht alles verwandelt?
    Aber dann öffnete sie den Mund, die Raubtierzüge, die zu sehen er sich eingebildet hatte, schwanden, und die Reißzähne, die allen Jugendlichen gezogen

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