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229 - Flashback

229 - Flashback

Titel: 229 - Flashback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard und Michael Schönenbröcher
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sagen, wo deine Tante ist. Bist du denn sicher, dass sie hier gearbeitet hat?«
    Loola lugte vorsichtig an dem schweren Holzbrett vorbei und in die Küche hinein. Dort stand ein Kind, rothaarig und kleiner als sie selbst, und sah sich im Raum um. Es bewegte den Kopf hin und her – und blickte dann genau in ihre Richtung, als könnte es sie sehen! Loola blieb beinahe das Herz stehen. Aber dann schalt sie sich eine Närrin: Sie war doch von dem Holzbrett geschützt; das Kind konnte sie gar nicht bemerkt haben.
    Trotzdem: Der Blick aus den grünen Augen des kleinen Mädchens ging Loola durch Mark und Bein. Sie fühlte einfach, dass dieses Kind… böse war. Auch wenn sie sich ihre Empfindung nicht erklären konnte, denn äußerlich war das kleine Mädchen ein Kind wie jedes andere. Sie schätzte es auf höchstens sieben Jahre.
    Nach einigen Sekunden wandte sich die Kleine wieder ihrem Begleiter zu. Ihre Stimme zitterte. »Aber ich muss meine Tante finden. Sie sagte, sie würde in Waashton zu den Rev’rends gehen, um da zu arbeiten…« Die Augen des Kindes begannen sich mit Tränen zu füllen.
    Loola staunte. Die Kleine hatte es voll drauf, mit den Gefühlen der Erwachsenen zu spielen; Respekt! Wie sie jetzt schluchzend dastand, bot sie ein Bild größter Hilflosigkeit, das selbst einen Stein zum Schmelzen gebracht hätte.
    Und die Strategie schien sich auszuzahlen. Ihr Begleiter, ein grobschlächtiger Mann, dem man eher die Gesellschaft grölender Saufkumpane als die eines kleinen Kindes zugetraut hätte, hob sie mitleidig hoch und schaukelte sie ein wenig hin und her. »Ist ja schon gut, Kleines. Wir werden deine Tante schon noch finden. Mach dir keine Sorgen, ja?«
    Das rothaarige Mädchen hörte auf zu weinen und nickte, scheinbar getröstet. Doch als der Mann sie aus den Trümmern der Küche heraustrug, warf es noch einen letzten kalten Blick in die Richtung des Verstecks von Trashcan und Loola.
    Kaum waren die Schritte des Mannes verklungen, als sich Trashcan auch schon stöhnend aus dem Versteck schälte. »Mann, das war knapp. Was die wohl hier wollten?«
    »Das hast du doch gehört«, sagte Loola nachdenklich. »Und ich sag dir was – wir sollten dem Hohen Richter Bescheid sagen. Mir machte das Mädchen Angst.«
    Trashcan schnaubte verächtlich und hob eine Holzschüssel auf, in der Hoffnung, darunter etwas Wertvolles zu finden: »Hast du etwa Angst vor jemandem, der nicht mal größer ist als du?«
    »Nein, eigentlich nicht«, sagte Loola langsam. »Aber wir sollten den Richter trotzdem warnen. Irgendwas stimmte nicht mit der Kleinen. Vielleicht ist Mr. Black so dankbar für den Hinweis, dass er uns etwas Medizin für Buck überlässt.« Sie ließ ihren Blick wieder durch die zerstörte Küche schweifen. »Ich glaube nämlich, hier finden wir sowieso nichts…«
    ***
    Laufen.
    Ohne Pause, ohne Rast. Die Landschaft zieht beinahe unbeachtet vorbei, nur die Daten am unteren Rand des Sichtfelds ändern sich je nach Höhenlage, Tageszeit oder Temperatur.
    Die Gleichförmigkeit dieser Erinnerungen drohte Miki Takeo zu überwältigen.
    Seine Reise vom Kratersee nach Amarillo, wo er sich wieder vollständig herstellen würde und wo er Antworten auf viele unbeantwortete Fragen zu bekommen hoffte, war im Rückblick nur noch eine einzige vorbeiziehende Landschaft. Wie im Schnelldurchlauf einer visuellen Aufzeichnung wirbelte die Welt an ihm vorbei, subjektiv ein verschwimmendes Feld von bunten Flecken, und doch ertappte sich der Android dabei, dass er sich an jeden einzelnen Moment erinnern konnte.
    Befriedigt stellte er nach einer Weile fest, dass er imstande war, jede einzelne Sekunde dieses Monate währenden, gleichförmigen Laufs zu rekapitulieren.
    Er hatte sein Tempo fast die ganze Strecke über gehalten, einen Schritt nach dem anderen setzend, immer im gleichen Rhythmus, egal ob auf Tundrakraut, Schneefeldern, Wüstensand oder weichem Waldboden. Viel schneller und ausdauernder, als ein Mensch hätte laufen können. Und auch ohne jede Rast, um sich zu regenerieren, um Nahrung aufzunehmen und sich auszuruhen.
    Nach einigen Sekunden, in denen er seine Erinnerungen auskostete, mahnte sich der Android zur Disziplin. Schließlich hatte er andere Aufgaben, als seine Reise nach Amarillo zu rekapitulieren.
    Konzentriere dich wieder auf die Gedächtnisspeicher des U-Man, befahl er sich selbst. Es war ihm seltsam zuwider, diese Bezeichnung zu verwenden. Dies hier war kein U-Man mehr, wie er sie geplant und konstruiert

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