2293 - Ein Held für alle Fälle
„Wir sollen uns nicht sorgen. Gon-O ist immer noch bei uns. Alles, was wir jetzt brauchen, ist Festigkeit im Glauben."
„Sagt Imberlock", meinte Dave Scudda. „Sagt Carlosch Imberlock, aus dem Tempel der Degression. Auch dort laufen die Dinge wieder normal. Es ist vorbei. Es gibt keine Amokläufe mehr und keine Zusammenbrüche."
„Aber wir hören unseren Gott nicht mehr", sagte Scudda mit sichtbarem Unbehagen. „Das ist zwar richtig", Ambaarth schüttelte den kahlen Kopf, „aber er ist da. Er ist bei uns. Wir müssen glauben, Dave. Dann wird alles gut. Die Krise ist überstanden."
TLD-Major Dave Scudda sah nicht überzeugt aus. Remo Ambaarth hatte es nicht anders erwartet. Daves „Funktion" war die seines immer skeptischen Widerparts, ein Korrektiv, wenn er sich in Euphorie zu verlieren drohte. Leider neigte er dazu. Aber es war, nach eigener Einschätzung, sein einziger Fehler.
Dave dagegen hatte gleich mehrere. Er war nur bis zu einem gewissen Grad unverzichtbar. Scudda besaß ein manchmal sehr „südländisches" Temperament, das gefährlich werden konnte. Es hatte ihm schon einige Einsätze vermasselt. Dave wusste, dass er sich nicht mehr viele Fehler erlauben durfte, denn dann konnte ihn auch Ambaarth nicht mehr halten.
Remo Ambaarth leitete im Terranischen Liga-Dienst die Kommission „Augeauf-NATHAN". Der Oberst war ein treuer Diener seines Gotts Gon-O, auch und vor allem seit dem mentalen Schock, der die Jünger im ganzen Solsystem allesamt heimgesucht hatte.
Hier auf Luna hatte er einen kühlen Kopf bewahren können. Der mentale Druck, das plötzliche Schweigen Gon-Os hatten nicht alle gleichermaßen getroffen. Manche hatte es vorübergehend aus der Bahn geworfen.
Einigen hatte geholfen werden können, andere waren geopfert worden, als sie glaubten, rebellieren zu müssen. Das abschreckende Beispiel, die Exekutionen, war gut für die Massen. Wenn sie Gon-O nicht hörten und der Glaube fehlte, half vielleicht das.
Was ihn mehr verunsichert hatte, waren die beunruhigenden Nachrichten aus dem Tempel der Degression gewesen. Dort hatte er nichts ausrichten können, doch sein Vertrauen in die überragende Persönlichkeit eines Carlosch Imberlock hatte sich ausgezahlt.
Nein, an Kraft und Festigkeit durch den Glauben mangelte es ihm ganz sicher nicht.
Wenn er ein Problem hatte, hieß es NATHAN. Deshalb war er hier. Deshalb war die Kommission ins Leben gerufen worden.
Im TLD war sehr wohl bekannt, wie sich NATHAN während der zurückliegenden Krisen, während der Besatzungszeit diverser Gegner, verhalten hatte. Das Mondgehirn war schon immer ein wichtiges Puzzlestück in der Befreiung vom Feind gewesen. NATHAN hatte stets geschickt seine eigene Vernichtung vermieden - und zugleich unter der Oberfläche wirksam gegen den Feind gearbeitet.
Und da sich NATHAN - wie auch? -nun einmal nicht zu Gon-O bekehren ließ, war jederzeit mit verdeckten Aktionen der Hyperinpotronik gegen das Regnum des Gottes zu rechnen.
Remo Ambaarth war entschlossen, es gar nicht erst dazu kommen zu lassen. Seine Kommission war ins Leben gerufen worden, um erste Anfänge in dieser Hinsicht bereits im Keim zu ersticken.
Nach dem Hyperimpedanz-Schock war NATHAN alles andere als der unfehlbare Helfer der Vergangenheit, sondern ein nicht mehr überschaubares, über ganz Luna verteiltes Konglomerat von teils defekten - syntronischen -, teils „auf biopositronisch" umgerüsteten Rechnerblöcken. Dies erschwerte einerseits die Arbeit für Remo Ambaarth und „Augeauf-NATHAN". Denn die tatsächlichen Ausmaße des Rechners kannte derzeit wohl nur NATHAN selbst.
Auf der anderen Seite aber konnte die lunare Hyperinpotronik nicht handeln, wie es ihr beliebte. Denn Ambaarth und seine Spezialisten hatten die Geschichte studiert und ihre Lehren daraus gezogen. Sie kannten sämtliche Schliche Und Tricks, mit denen NATHAN in der Vergangenheit gearbeitet hatte.
Und ihre Augen waren überall.
Sie hatten Zugriff auf sämtliche Rechnerprozesse, auf Protokolle, Speicheradressen, auf was auch immer. „Wir haben's im Griff, Dave", sagte Ambaarth. „Mach ein anderes Gesicht. NATHAN kann versuchen, was er will, wir sind bereit."
„Er wird etwas tun", sagte Scudda. „Das ist dir ja klar. So, wie es immer war."
„Sicher", antwortete Ambaarth mit einem Lächeln. „Und wir werden zur Stelle sein. Wir haben eine Million Augen. Uns entgeht nichts, was auf Luna geschieht."
„Raphael", sagte Scudda nur. „Ist registriert", grinste der
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