2294 - Kristallchaos
Kleinen schlafen geschickt.
„Los, Tolotos! Schnappen wir uns diesen so genannten Gott!"
Bully balancierte mit ausgebreiteten Armen über den wogenden Boden, Mit aller Kraft seiner Gedanken konzentrierte er sich auf den Weg, setzte einen Fuß vor den anderen. Der Druck in seinem Kopf ließ ein wenig nach. Dafür stieg Übelkeit in ihm hoch, kein Wunder bei dem Seegang, den der Untergrund erzeugte.
Der Terraner schwankte in die Richtung, in der die Wohnung des Schutzherrn lag. Sie nahm einen Großteil des Hohlraums im Stock-Relais in Anspruch. Gemessen an terranischen Ansprüchen hätte man sie bisher als Komfortwohnung bezeichnet. Jetzt war davon nicht mehr viel zu erkennen. Die Wände existierten teilweise nicht mehr. An anderen Stellen waren sie so dick geworden, daß es die Möbel zerquetscht hatte.
„Schneller, Tolotos!"
Bully rannte davon, suchte sich einen Weg durch die Zimmerflucht. Rechts, das mußte der Schlafraum gewesen sein. Danach folgten so etwas wie ein Salon und das Eßzimmer. Im Salon hatte Gon-Orbhon den Terraner mehrfach empfangen.
„Gon-Orbhon, ich suche dich!" Wie erwartet erhielt er keine Antwort. Geradezu selbstmörderisch wäre es gewesen, wenn sich der Schutzherr noch hier aufgehalten hätte. Auch von seinem Robotdiener war weit und breit nichts zu sehen.
Bully stellte fest, daß auch der Haluter nicht mehr in der Nähe weilte. „Tolotos?"
„Warte nicht auf mich", klang es von irgendwoher. „Ich suche unsere Ausrüstung.
Gegen die Motoklone brauchen wir Waffen."
„Aber die helfen uns nichts gegen den Motoschock!"
„Sie werden ihn in der Nähe ihres Herrn Gon-Orbhon nicht anwenden!"
„Dann viel Glück!", wünschte Bully.
Mit ihren Waffensystemen würden sie gegen die Motoklone nicht viel ausrichten, aber zusammen mit den Schutzanzügen steigerte sich ihre Lebenserwartung ein wenig.
Insbesondere konnten sie auf Tolots roten Kampfanzug nicht verzichten, der aus seinem Träger eine Kampfmaschine machte, die es mit jedem Kybb-Geschöpf aufnehmen konnte.
Bully zwängte sich durch einen höchstens eineinhalb Meter durchmessenden Schlund, der einmal eine Tür gewesen war. Welcher Raum dahinter lag, konnte er nicht sagen.
Um ihn herum häuften sich Berge von Trümmern, die sich unaufhörlich bewegten.
Von irgendwo rutschte Material nach. Kein Wunder, daß Gon-Orbhon schleunigst das Weite gesucht hatte.
Ein paar Atemzüge später entdeckte Bully einen Arm, der unter einem Berg aus Trümmern ins Freie ragte.
Gon-Orbhon – nur er konnte es sein, dehn außer ihm, den Gefangenen und ihren Bewachern besaß niemand Zugangsrechte zum Stock-Relais – war von den Trümmern seiner eigenen Wohnung erschlagen worden.
Eine Unachtsamkeit der Nocturnenkristalle?
Eine solche Ironie des Schicksals hätte gut gepaßt!
Fast andächtig streckte Bully die Hand aus. Was war zuerst da?, überlegte er. Der Tote oder der Wahnsinn?
Ein Teil von Gon-O existierte nicht mehr.
Kein Wunder, daß Satrugar darüber endgültig den Verstand verlor.
*
Aus den Zeitvertreib-Gesprächen mit Gon-Orbhon wußte Reginald Bull in groben Zügen, wie es auf Terra und im Solsystem aussah. Carlosch Imberlock, der einstige Verkünder des Untergangs, herrschte vom Tempel der Degression aus über das neue Volk Gon-Os. Mit den Terranern hatte die unheilige geistige Symbiose viel vor, wenn Bully den einstigen Schutzherrn richtig verstanden hatte. Es hörte sich nach Aufbruch an, nicht nach kollektivem Untergang.
Allerdings entstand aus einem Wahn niemals etwas Gutes. Er brauchte da nur an die Wahnträume von Superintelligenzen wie BARDIOC, Seth-Apophis oder THORE-GON zu denken. Nein, sie mußten verhindern, daß aus Gon-O eine Superintelligenz wurde, denn diese würde den Keim der Zerstörung bereits in sich tragen.
Der mentale Druck des revoltierenden Stock-Relais in Bullys Bewußtsein wuchs.
Seine Finger berührten den Arm, der leicht zuckte. Das Wesen Gon-Orbhon lebte.
Verdammt! Und ich hatte gehofft, das Schicksal hätte uns die Entscheidung abgenommen!
„Halte durch!" So schnell es seine Kräfte ihm erlaubten, räumte Bully die Trümmer zur Seite. Gon-Orbhon hatte Glück im Unglück. Sein Körper und der Kopf steckten unter einem Berg weicher Kissen, die auf ihn gefallen waren. Der Blick des Schutzherrn flackerte, es gelang ihm nicht, ihn auf Bully zu fixieren. Sein Kopf fiel zur Seite.
Bully tätschelte seine Wangen – erst sanft, dann etwas nachdrücklicher. „Bleib hier!", sagte er
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