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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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unten lagen. Dann breitete ich die Arme aus, tat den bekannten Schlag um wieder hochzukommen, und legte mich hierauf, leicht paddelnd, auf die Flut. Nun horchte ich.
    Hier um mich her war alles still. Jedoch in einiger Entfernung klang das Wasser. Es war, als schwimme jemand dort und hole ängstlich Atem. Ich kannte wohl die Stelle, an der ich mich befand, jedoch noch nicht die Richtung. Ich war mit dem Gesicht nach Süd herabgesprungen. Hatte ich das beibehalten, so mußte die Mauer hinter mir liegen. Dort schwamm ich hin und fühlte schon nach einigen Stößen den Stein. Das konnte auch ein Pfeiler sein. Darum griff ich mich an ihm hin. Es war die Mauer. Ich hatte sie rechter Hand und lag also mit dem Kopf nach dem inneren Bassin hin auf dem Wasser.
    Von dorther klang Geräusch. Es rauschte, und es stöhnte. War das der ‚Zauberer‘? Hatte er sich gerettet? Kannte er die Örtlichkeit? Wußte er etwas von dem Kanal? Wenn nicht, so war er verloren, wenn ich ihn im Stich ließ. Ich schwamm also hin, leise, leise, um ihn nicht durch Zurufe vor der Zeit in Angst zu bringen. Wenn er mich hörte, mußte er denken, daß ich ihn verfolge, und das konnte ihn verwirren, so lange er noch auf offenem Wasser war. Ich berechnete hierbei jeden Stoß und jeden Schlag den ich tat, um zu wissen, wo ich immer sei.
    Als ich nach meiner Schätzung unter der in der Luft hängenden Mauer hindurchgekommen war, hörte ich ein lautes, schweres Atmen, als ob sich jemand anstrenge, an irgend etwas emporzukommen. Das war dort beim Riesenpostament. Ich näherte mich ihm. Nun hörte ich nichts mehr. Dann aber klang eine halblaute, doch hier in diesem akustischen Raum sehr vernehmliche Stimme:
    „Ist er tot? Ich hörte nichts! Mein Gott und Herr, laß ihn doch leben! Erhalte ihn, den ersten, den allerersten und den einzigen, der über unsre ‚Vogelscheuche‘ lachte!“
    Das war ja ein Gebet! Und zwar für mich! Kein angelerntes, sondern eingegebenes! Da durfte und mußte ich allerdings antworten!
    „Ich lebe, denn es gibt ja keinen Tod!“ sagte ich in gewöhnlichem Ton, und doch erdröhnte es, als ob es mit aller Kraft der Stimme hinausgerufen worden sei. Die Schallwellen fluteten unter der hängenden Mauer hinaus in das vordere Bassin, und da hörte ich es von Säule zu Säule durch die Finsternis weiter und weiter klingen: „Keinen Tod – keinen Tod – keinen Tod – keinen Tod – Tod – – – Tod – Tod!“
    „Du bist es, Effendi, du?“ fragte er.
    „Ja.“
    „Komm, rette mich!“
    „Sogleich! Wo befindest du dich?“
    „Da, wo du mich – mich – mich – ich darf es dir nicht sagen. Das muß von selbst geschehen!“
    „Was?“
    „Komm herauf!“ wiederholte er, ohne auf dieses mein ‚Was?‘ einzugehen.
    Ich erreichte den Sockel. Im Wachen war er mir ganz unersteigbar vorgekommen; jetzt aber, im Traum, gelang es mir fast leicht, mich hinaufzuschwingen. Er hockte auf der einen Seite der Figur; ich setzte mich auf die andere.
    „Sei still!“ bat er.
    „Warum?“ fragte ich doch.
    „Warte! Es wird kommen. Wir werden auch noch sehen!“
    Ich schwieg also.
    Wie kam es doch, daß ich nicht fror, obgleich ich mich in dem eiskalten Wasser befunden hatte und nun so still auf dem ebenso kalten Stein saß? Wohl, weil ich doch nur träumte! Es herrschte die tiefste Stille um uns her, und nur von weitem war es, als ob es draußen im vorderen Bassin ein leises, leises Flüstern gebe, wie Gedanken, welche aus dem Wasser steigen und lebendig zu werden beginnen. Und aber dieses Wasser! Und die auf ihm liegende, dichte Finsternis! Wie war es doch mit diesen beiden?! Man spricht von Wärme und Kälte. Je größer die Kälte wird, umso deutlicher fühlt man sie als Wärme. Man sagt dann ‚meine Ohren brennen‘. Ist es mit Licht und Finsternis vielleicht so ähnlich? Kann die Finsternis verdichtet werden, so verdichtet, daß sie die Wirkung des Lichtes bekommt? Das schien jetzt hier von unserem Sitz aus der Fall zu sein.
    Das war hier nur so im ganz, ganz kleinen. Aber so wie hier konnte es, freilich im unendlich großen, gewesen sein, als sich einst am Anfang das Licht von der Finsternis zu scheiden begann. Das Licht wurde aus seiner Gefangenschaft errettet, aus seiner Latenz befreit, aus seiner Verzauberung erlöst und schwamm zunächst als Phosphoreszenz, so fast wie Wasserleuchten, auf dem Dunkel. Dann zog es Fäden, erst feine, doch immer deutlicher werdende Fäden, die nach und nach Maschen bildeten, in denen es wie

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