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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sitzen. Nun bestimme, was geschehen soll, Sihdi!“
    „Zunächst das eine: Kein Mensch darf davon wissen, am allerwenigsten Pekala. Ich ahne, wer dieser Fremde ist, nämlich ein entflohener Verbrecher, welcher uns im Auftrag des Scheik ul Islam ausspionieren soll. Ich muß ihn selbst sehen. Du führst mich also zu ihm, holst aber vorher einige feste Riemen oder Stricke aus dem Haus, doch heimlich. Für so einen Menschen genügen die jetzigen Fesseln nicht.“
    Kara ging nach dem Haus. Ich fand es sehr erklärlich, daß Schakara mich bat, uns nach dem Turm begleiten zu dürfen, und erlaubte es sehr gern. Mein Plan war schon fertig. Dieser Spion verriet uns freiwillig sicher nichts. Er mußte gezwungen werden. Und da gab es ein Mittel, welches vielleicht sogar dem Teufel den Mund geöffnet hätte! Aber das konnte nur im Geheimen angewendet werden, und darum war es mir lieb, daß Schakara mitging. Ihre Anwesenheit gab der Sache den Anschein eines bloßen Spazierganges, der keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen hatte.
    Als Kara wiederkehrte, schlenderten wir also nach dem Glockenweg und dann auf schmalem, aber bequemen Weg bis grad zum Quaderturm, um den es sich handelte. Sein eigentliches Tor war längst schon zugemauert. Wir konnten nur durch das Nebengebäude zu der Tür gelangen, von welcher Kara gesprochen hatte. Als wir durch sie getreten waren, sahen wir den Gefangenen liegen. Der Blick, den er auf uns richtete, war nicht etwa verlegen, sondern trotzig, und geradezu unverschämt klang es, als er uns sofort entgegenrief:
    „Ihr habt mich augenblicklich freizugeben! Ich bin ein hochgestellter Mann, kein Lump, den man in dieser Weise behandeln darf! Gib mich frei, Effendi!“
    Ah, der kannte mich ja schon! Also scharfe Augen und feine Ohren! Aber pfiffig war es keineswegs, es mir zu verraten! Ich blieb vor ihm stehen und fragte ruhig:
    „Wer bist du?“
    „Das sage ich nur dir allein!“
    „Woher?“
    „Auch das nur dir!“
    „Was willst du hier?“
    „Auch das darf niemand wissen als nur du!“
    „So? Dann mag ich es überhaupt nicht wissen! Kara, binde ihn fester, aber so, daß ihm die Schwarte knackt! Wer uns mit solcher Frechheit kommt, der sehe zu, was für ihn daraus entsteht!“
    Der Haddedihn kniete zu ihm nieder, zog das Zeug aus der Tasche und begann, ihn fester zu schnüren. Da rief der Fremde aus:
    „Ich bin ein Abgesandter des Schah-in-Schah!“
    „An wen?“
    „An den Ustad, also an dich!“
    „Und kommst nicht offen und direkt zu mir, sondern versteckst dich hier wie ein Verbrecher?“
    „Ich kam zu Eurem Glück zu Euch!“
    „Und stichst mit dem Messer auf meine Leute? Wir danken für solches Glück!“
    „Du bist ein Christ. Darum sage ich dir: Ich komme als Missionar!“
    „Willst uns wohl Frieden predigen? Heil verkündigen?“
    „Ja!“
    „Das kennen wir! Sorg für dein eignes Heil; das unsere liegt in den besten Händen!“
    Das brachte ihn zum Schweigen. Er schien zu überlegen. Kara vollzog seine Arbeit so gut, daß dem ‚Missionar‘ alle Glieder zu schmerzen begannen.
    „Er hat das Messer gegen dich gezogen, um dich zu erstechen“, sagte ich. „Das bestrafe ich mit dem Tod. Wirf ihn dort hinter die Steine! Da mag er liegen, bis er in den Duar geschafft wird, um gehenkt zu werden.“
    Hierauf wandte ich mich nach der Tür, scheinbar um zu gehen. Das wirkte.
    „Bleib hier, Effendi!“ bat er. „Ich werde antworten!“
    Ich ging weiter. Da schrie er auf:
    „Effendi, Effendi, geh nicht fort! Ich gebe dir Auskunft, und du wirst dich freuen!“
    Da drehte ich mich um, langsam, wie widerwillig und befahl:
    „So antworte kurz auf das, was ich dich frage! Anderes mag ich nicht wissen. Seit wann bist du jetzt hier?“
    „Seit dieser Nacht. Ich kam, als in dem Duar schon alle Leute schliefen.“
    „Warst du schon öfters hier?“
    „Vor einem Jahre zum ersten Mal. Seitdem in jedem Monat nur einmal.“
    „Sonst nicht?“
    „Nein.“
    „Du warst also vor einem Monat zum letzten Mal da?“
    „Ja.“
    „Kamst heut in dieser Nacht und weißt doch so genau schon, wer ich bin? Wer täuschen will, muß besser lügen können!“
    „Ich wußte nicht, wer du bist; ich vermutete es nur. Effendi, glaube mir!“
    „Gibt es bei uns jemand, auf den du dich berufen kannst?“
    „Pekala und Tifl.“
    „Wer noch?“
    „Niemand.“
    „So ist es schlecht um dich bestellt. Tifl ist ein Abtrünniger und Pekala eine Plaudertasche, die alles verraten wird, was sie von dir

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