23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
seine Augen leuchteten. „Wenn das mein Vater hört, läßt es ihn schnell genesen!“
„Nur nicht sogleich entzückt! Ich bin noch viel zu schwach, kann höchstens daran denken, jedoch nichts bestimmen. Trotzdem, trotzdem, trotzdem! Nimm die Begeisterung die euch beseelen wird; denk auch ans andere: daß wir geschlagen werden, von Ritt zu Ritt besiegt von solchen Gegnern, und stelle dich dann vor die letzte Tour, die das Verlorne wiederbringen kann, so werfe ich mich auf den schlimmsten Gaul und reite mit, daß alle Knochen fliegen, die seinen und die meinen, bis miteinander wir zusammenbrechen, wir beide tot, jedoch am Ziel – – – als Sieger!“
Wir kehrten nicht erst nach dem hohen Haus zurück, sondern gingen in entgegengesetzter Richtung hinüber nach den Steinbrüchen und den dortigen, breiten Weg hinunter in den Duar. Das war ein Jubel, als man uns bemerkte! Die Begeisterung von welcher ich gesprochen hatte, schien sich schon heute eingestellt zu haben. Es gab so viele, fernwohnende Dschamikun, die mich noch nicht gesehen hatten. Die drängten sich alle, alle herbei, und jeder von ihnen hatte es ganz besonders darauf abgesehen, uns zu versichern, daß wir das Rennen unbedingt gewinnen würden.
Wir gingen mit dem Chodj von Pferd zu Pferd. Ein jeder Besitzer war bemüht, uns von den Vorzügen des seinigen zu überzeugen. Darum freute es mich, daß der Chodj sich als vortrefflicher Kenner zeigte. Er ließ sich nicht durch Worte begeistern, blieb kalt, bedächtig überlegen und wies alles zurück, was keinen Erfolg versprach. Aber grad dadurch erreichte er, daß unser Vertrauen stetig wuchs, und als wir zu Ende waren und er uns nach unserm Urteil fragte, konnte ich ihm zu seiner wie auch meiner Freude sagen:
„Das Material ist gut. Nicht nur im gewöhnlichen Sinne, sondern sogar in Beziehung auf den ungewöhnlichen Zweck. Nachdem ich diese Pferde gesehen habe, bin ich unbesorgt. Ich habe nicht gewußt, daß die Dschamikun so viel des edelsten Blutes besitzen, und kann die Gegner nicht begreifen, daß sie gewagt haben, mit uns anzubinden.“
„Der Grund ist leicht einzusehen“, antwortete er. „Sie prahlen mit ihren Pferden, geben ihnen hochtrabende Namen, wie zu Beispiel ‚das beste Pferd von Luristan‘, bringen die Stammbäume derselben unter das Publikum und verbreiten über ihren unschätzbaren Wert so viele und so vollmäulige Geschichten, daß es schließlich niemand mehr wagt, daran zu zweifeln. Jeder, der doch vielleicht noch den Mut besitzt, eine Wette einzugehen, tut dies aber unter dem Druck der Angst, höchst wahrscheinlich besiegt zu werden, und da die Angst niemals zum Guten führt, so stellt sich stets auch hier die Niederlage ein. Man verliert; aber nicht das Pferd ist schuld, sondern die Furcht, welche die Energie und Geistesgegenwart des Reiters lähmte. Bei uns aber ist das anders. Wir sprechen nicht von unserer Zucht; ja, wir halten sie sogar und ganz geflissentlich geheim. Und besondere Stammbäume? Wozu diese, wenn überhaupt alles edel ist? Und das ist es ja, was wir erreichen wollen und erreichen werden! Auch wissen wir nur allzu gut, wie oft solche Stammbäume täuschen, zumal bei fortgesetzter Binnenzucht. Darum greifen wir fleißig nach außen hin, um zu verbessern, zu veredeln. Sodann hüten wir uns vor prunkenden Namen. Sie sind doch bloß nur Sand, den man schließlich sich selbst in die Augen streut. Kein vernünftiger Mensch glaubt mehr an Namen. Darum wählen wir zur Benennung grad unserer allerbesten Pferde nur Worte, welche möglichst schüchtern, ja oft sogar herabsetzend klingen, dabei aber eine bessere, tiefere Bedeutung haben, die nur von uns selbst, aber von keinem Fremden verstanden wird. Das wirst du noch sehen. Denn unsere Hauptrenner sind heut noch gar nicht hier, weil eine Prüfung bei ihnen nicht nötig ist. Aus all diesen Gründen ist man über das, was wir besitzen, fast gar nicht orientiert. Frag draußen im ganzen Land herum, ob wir imstande sind, ein großes Rennen gegen auswärtige Pferde zu gewinnen. Man wird lächeln, sogar über Sahm, deren Name übrigens der einzige ist, der nicht verschwiegen klingt, und dir sagen, daß man uns Ritt auf Ritt besiegen würde. Doch mögen sie nur kommen. Wir wissen, was wir haben, und verstehen, es zu reiten. Und was die Angst betrifft, nun, lähmen wird uns nichts. Weißt du, wer unser bester Reiter ist?“
„Wohl du?“
„O nein, o nein, sondern der Ustad selbst. In dem Augenblick, an welchem er den
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