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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihm bei diesem Gegenstand, bis er ermüdete und schließlich die Augen schloß, um mitten im Gespräch einzuschlafen. Inzwischen war es Mittag geworden, und ich aß mit Hanneh und Schakara in der Halle.
    Dann, als ich hinauf in meine Wohnung kam und das Tal überschaute, sah ich zahlreiche Reiter ihre Pferde auf der Rennbahn tummeln, was von jetzt an jeden Tag und zwar von früh bis abends geschah. Ich blieb den ganzen Nachmittag oben, auch zum Abendessen, welches ich mir heraufbringen ließ. Kara wußte Bescheid. Ich hatte ihm denselben während unserer Heimkehr von der Pferdeschau erteilt. Er stand, als alle andern, Schakara ausgenommen, schliefen, mit neuen Fackeln unten im Hof bereit.
    Wir gingen erst hinab nach dem Landeplatz, um die Fackeln in das Boot zu legen. Es war der zweite Tag des neuen Mondes, die Sichel am Himmel schon breiter und heller als gestern. Sie leuchtete uns. Nun benutzten wir den schon früh erwähnten, breiten Steinbruchweg von welchem aus die hier ebene Fläche bis zu dem Quaderturm hinüberführte. Da dieser eingestürzt war und also oben offenstand, war es auch in ihm mondhell. Für den Nebenbau, durch welchen wir mußten, hatte Kara ein Talglicht mitgenommen, welches angebrannt wurde.
    Der ‚Aschyk‘ lag noch genau so, wie wir ihn verlassen hatten. Es war ihm unmöglich gewesen, sich zu bewegen. Man sollte denken, daß diese Qual, verzehnfacht durch den Schmerz, den die scharfen Fesseln verursachten, ihn veranlaßt hätte, sich gefügig zu zeigen. Das war aber keineswegs der Fall. Am Morgen hatte er seine Zuflucht schließlich doch zur Bitte genommen; nun aber schien er sich das wieder anders überlegt zu haben. Er empfing uns mit Vorwürfen, sprach von seiner ‚Botschaft des Friedens‘, nannte sich wiederholt den ‚Auserwählten‘, den ‚Missionar‘, ohne dessen Hilfe wir verloren seien, und erdreistete sich endlich gar, zu sagen, daß er uns verzeihen und bei dem Schah-in-Schah für uns bitten wolle, wenn wir unsere Fehler einsehen und sofort verbessern würden. Ich machte durch dieses blöde, prahlerische Geschwätz einen Strich, indem ich ihn summarisch fragte:
    „Kennst du den Scheik ul Islam persönlich?“
    „Nein, nein, nein!“ behauptete er zornig.
    „Hast nichts, gar nichts mit ihm zu tun?“
    „Nichts, nichts und dreimal nichts!“
    „Bist nicht in seinem Auftrag hier bei uns?“
    „Nein, nein und tausendmal nein!“
    „Gut! Jetzt bin ich überzeugt; aber wovon, das wirst du sehen. Wir geben dir jetzt die Füße frei, doch weiter nichts. Du hast mit uns zu gehen, gehorsam, still, wenn du den Tod vermeiden willst. Wir wissen mit entsprungenen Verbrechern umzugehen und kehren uns nicht daran, daß sie im Schutz des Scheik ul Islam stehen! Merkst du etwas?!“
    Da sagte er nichts mehr! Kara nahm ihm die Riemen von den Beinen und ließ ihn aufstehen. Er wankte infolge der Blutstockung so, daß er gehalten werden mußte. Doch als wir ihn erst einmal draußen im Freien hatten, bekam er nach und nach immer festeren Schritt. So kamen wir den Berg hinab und an die Landestelle. Als er aufgefordert wurde, in den Kahn zu steigen, weigerte er sich und begann, wieder laut zu werden. Da warf ihn Kara einfach nieder, zwang ihm ein Stück mitgebrachtes Zeug als Knebel in den Mund, fesselte ihm die Beine wieder und schob ihn dann hinüber in das Boot, um ihm dort die Augen zu verbinden. Dann stiegen wir ein und ruderten nach dem Kanal.
    Als wir das Gestrüpp am Eingang desselben hinter uns hatten, wurde die Fackel angebrannt und in das erwähnte Loch gesteckt. Erst schoben und dann ruderten wir uns weiter, bis wir das vordere Bassin erreichten. Der Aschyk sollte nicht wissen, wo der Weg zur Freiheit zu suchen sei, denn es war meine Absicht, ihn von den Fesseln zu befreien, und er konnte vielleicht ein guter Schwimmer sein, obgleich dies von einem binnenländischen Perser, dessen Mutter Erde ihn so trocken behandelt, nicht zu vermuten war. Darum trieben wir das Boot in das Becken hinein, bis der Kanal nicht mehr zu sehen war, und nahmen ihm dann die Binde von den Augen. Der Knebel verhinderte ihn am Sprechen und sein Gesicht lag so im Schatten, daß wir weder die Augen noch das Spiel der Mienen beobachten konnten, doch nahm ich an, daß der Anblick dieses schauerlichen Ortes von nicht geringen Eindruck auf ihn sein werde. Um diesen zu verstärken, nahmen wir uns die Zeit zu einer vielfach verschlungenen Rundfahrt. Da er auf dem Boden des Fahrzeugs lag, sah er nur, was oben war,

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