Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
angekommen, blieb Syrr stehen, ohne angehalten worden zu sein.
    „Wer ist hier?“ fragte ich, den Blick scharf auf die Büsche richtend.
    „Du bist es, du, Effendi“, antwortete es. „Da darf ich hervorkommen. Ich glaubte nicht, daß du schon wieder reiten könntest, und hielt dich darum für einen anderen.“
    Es war der Aschyk.
    „Hattest du hier zu tun?“ fragte ich.
    „Ja“, antwortete er. „Ich wache! Hast du mein Paket gefunden? Kannst du es verwerten?“
    „Sehr gut. Ich danke dir!“
    „So bitte ich dich, mich still gewähren zu lassen! Du sollst nicht herabgezogen werden in das Gemeine, wo du nicht hingehörst. Laß das mir lieber über; mir schadet der Schmutz nicht so wie dir! Ich bin ihn ja gewöhnt. Ich vermute, daß du morgen die Pädärahn belauschen willst. Auch das ist Schmutz, vielleicht der allergrößte. Wirst du trotzdem kommen?“
    „Ganz bestimmt!“
    „So beschwere dich mit nichts. Ich bin sicher da und helfe dir herauf in das Versteck.“
    „Verkehrst du noch mit unseren Gegnern?“
    „Laß mich hierüber schweigen, Effendi! Ich darf dein Gewissen nicht beschweren. Aber wenn ich dir einen Wink gebe, so folge ihm mit Vertrauen. Es nahen schwere Zeiten. Ich will sie dir erleichtern. Und dann, dann geht mir vielleicht der größte Wunsch in Erfüllung, den ich in meinem Herzen trage.“
    „Welcher?“
    „Bei uns ist der Hund verachtet. Bei euch im Abendland aber wird er geschätzt. Da ist er der Freund, der Wächter, der Beschützer der Menschen. Effendi, prüfe mich jetzt, und wenn du mich als treu befunden hast, so laß mich dein Wächter sein, dein Hund, der dich begleitet, so lange du in diesen Gegenden bist! Der mit dir hungert und dürstet, im Regen und im Sonnenbrand vor deinem Zelt liegt, jeden Feind zerreißt, der sich an dich drängen will, und lieber stirbt, als daß er dir ein Leid zufügen läßt! Willst du?“
    „Da du es wünschest, werde ich dich – nicht prüfen, denn das ist nicht mehr nötig, ich vertraue dir – aber meinen Freunden Zeit geben, dasselbe Vertrauen wie ich zu dir zu fassen. Dann – doch hierüber später!“
    „Das ist mehr, als ich erwartete. Allah vergelte es dir!“
    Bei diesen Worten entfernte er sich, nicht hinter das Gesträuch zurück, sondern nach dem Steinbruch hin, an welchem ich dann vorüberritt, um hinab auf den Weg nach Nordwest zu kommen. Ich folgte ihm genauso, wie der Ustad mich bedeutet hatte und war nach einer Viertelstunde oben auf der Ebene, die wie ganz besonders für meinen Zweck gebildet war.
    Und nun ging ich an die Arbeit. Arbeit? Falsch, grundfalsch! Ein Vergnügen ist es, ein hochdankbares Studium, die Gedanken eines edlen Pferdes zu erraten und sie mit ihm auszuführen! Ich habe wohl viele, viele Reiter kennen gelernt, gute und schlechte, unter ihnen aber nur einen einzigen, der mit mir darin einig war, daß das Pferd auch einmal etwas selbst wollen dürfen muß. Das war mein Winnetou. Es hat ja Willen, wie jedes Tier. Und es besitzt auch Intelligenz, diesen Willen entweder für richtig oder für falsch zu halten. Es merkt sofort, wenn der Reiter einen Fehler macht, und zeigt die Absicht, diesen Fehler zu verbessern. Aber das ist ihm verboten. Es muß sich den gefühllosesten, unverständigsten Bengel gefallen lassen, der keine Ahnung von der zarten Empfindsamkeit und von dem Ehrgefühle, der Auffassungskraft, der Überlegsamkeit und dem Gedächtnisse eines guten Pferdes hat und es einfach zum innerlich und äußerlich steifen Gaul herunter rackert! Ich kam einst mit einem solchen Menschen scharf zusammen. Er hatte von Nachmittag bis Mitternacht in der Kneipe beim Kartenspiele gesessen und einen Grog nach dem anderen getrunken, denn es war ein sehr strenger Wintertag und selbst in der Stube kalt. Draußen aber stand sein Pferd angebunden, nicht zugedeckt, fast klappernd vor grimmiger Kälte. Es war ein gutes, fünfjähriges Halbblut. Der dünnspitzige Schnee, welcher wie Nadeln fiel, bedeckte es handhoch. Die Haut besaß nicht mehr die nötige Wärme, ihn wegzutauen. Das Pferd hatte während dieser ganzen Zeit weder Futter noch Trank bekommen und den lieben Herrn dann noch volle drei Stunden weit heimzutragen. Das ergab einen Wortwechsel zwischen mir und ihm, den er mit der Zurechtweisung schloß: „Das Vieh gehört mir, nicht Ihnen. Sie haben mir gar nichts zu sagen! Und mit Ihren sogenannten Gefühlen kommen Sie mir erst recht nicht! Zu behaupten, daß die Tiere, die Pferde eine Seele haben, ist eine

Weitere Kostenlose Bücher