23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
staunte dieser Mann! Er hatte ja nicht geahnt, für was für Menschen er das Blut seiner Dinarun vergießen sollte, um nicht die geringste Entschädigung dafür zu erhalten, nicht einmal ein höfliches Wort! Für jetzt war er nur mit den Rennpferden und der dazu gehörigen Mannschaft gekommen; seine eigentliche Kriegerschar aber hatte nachzufolgen. Er bot sie uns an und hielt uns beide Hände hin, in welche wir sehr gern die unseren schlugen. Da er nun wußte, welchen Zweck unser Ritt hatte, bat er, uns begleiten zu dürfen; der Ustad willigte ein.
Es ging also nun zu dreien weiter, westwärts, zu den südlichen Dschamikun, die sich ebenso wohlvorbereitet zeigten wie alle andern. Hierbei wurde das Gesicht des Scheiks immer ernster. Was er bisher von uns nur gehört hatte, das sah er nun, nämlich die große, tödliche Schlinge, welche sich hinter ihm und seinen Leuten zusammengezogen hätte, wenn er auf der Seite unserer Feinde geblieben wäre. Auch in Beziehung auf das Rennen wurde er bedenklich. Die Sahm ging unvergleichlich. Welch ein Unterschied zwischen heut und damals, als der Peder sie ritt! Der Araber sagt: Das Pferd ist ein Prozeß; wird er gut oder schlecht geführt, so wird er gewonnen oder verloren! Und nun gar der Syrr! Nur am Halfter! Der Scheik war ganz Bewunderung für ihn, fragte aber nur einmal und dann nicht wieder, als er hörte, daß hier ein Geheimnis obwalte, von welchem nicht gesprochen werden dürfe.
Unsere Runde war grad beendet, als es dunkel zu werden begann. Wir kamen durch das Tal des Sackes und hielten hüben an, weil drüben die Brücke aufgezogen war, der jetzigen Unsicherheit wegen. Es hatte ein Posten drüben zu stehen; wir riefen hinüber; er war aber nicht da.
„So müssen wir hier warten, bis er kommt“, sagte ich, über diese Nachlässigkeit erzürnt.
„Ja, warten wir“, lächelte der Ustad. „Ich erzähle dem Scheik inzwischen von dem verwegenen Sprung, den nur dein Assil glatt zuwege brachte.“
Er gab den Bericht, ohne von seinem Pferd zu steigen. Als er bei dem betreffenden Augenblick angekommen war, lenkte er die Sahm nach der Stelle, an welcher wir zum Sprung ausgeholt hatten. Sich immer noch stellend, als ob er nur erzählen wolle, sprach er weiter. Dann aber warf er plötzlich den Arm hoch empor und rief ganz dasselbe Wort wie wir: „Jatib, jatib, ia Sahm – spring, spring, o Sahm!“ Da schoß die Stute vorwärts, packte die Kante des Abgrunds mit sicherem Huf und flog über ihn hinüber, so glatt, so frei, so leicht, daß der Schrei des Schrecks, den ich ausstoßen wollte, sich in einen jubelnden Ruf der aufrichtigsten Bewunderung verwandelte. Dann stieg er drüben ab, ließ die Brücke nieder und forderte uns auf, gemächlich nachzukommen.
„Nun, was sagst du jetzt zu meiner Sahm?“ fragte er mich, indem seine Augen froh in die meinen glänzten.
Ich umarmte ihn; das war genug; eine andere Antwort hatte ich nicht. Der Scheik der Dinarun aber schüttelte sich noch nachträglich vor Entsetzen und versicherte:
„So etwas sah ich noch nie! Da mag man immerhin das beste Pferd von Luristan und auch den vielgerühmten Iblis bringen, ihr reitet sie doch nieder. Meine Dinarun aber können froh sein, daß ihr mir auch noch dieses zeigtet. Wir werden uns hüten, gegen euch zu wetten!“
Hierauf baten wir ihn, allein nach dem Duar zu reiten und aber ja den Syrr gegen niemand zu erwähnen. Das übrige war schon vorher besprochen worden. Wir beide dagegen blieben auf dem Bergweg durch den Wald und kamen unbemerkt bei unserem Wartturm an. Im Hof war kein Mensch. Wir ritten schnell über ihn hinweg, brachten unsere Pferde an Ort und Stelle und schlichen uns dann wohin? Hinauf zu unserm Hadschi Halef Omar, wo wir erwartet wurden, denn Schakara war da, welche von dem Ustad in das Vertrauen gezogen worden war. Sie hatte gesagt, daß wir diesen Abend hier im Verborgenen zubringen wollten, und dann den Hof für uns so frei gehalten, daß niemand von unserer Heimkehr etwas merkte.
Wir saßen da. Wovon und wie wir uns dabei unterhielten, kann man sich denken. Halef wußte, daß er morgen zum ersten Mal hinunter in den Duar dürfe. Es war für ihn auf der Tribüne ein besonderer, höchst bequemer Platz errichtet worden, wo er mit seiner Hanneh das ganze Tal überschauen konnte, ohne sich anstrengen zu müssen. Er freute sich wie ein Kind darauf.
Als die Zeit dazu gekommen war, ging der Ustad mit hinauf zu mir. Wir setzten uns auf das Vordach, um die nun beginnende
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