23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
glücklich machen zu wollen, aber höchstens nur imstande sei, unglückliche, beulige und schwärige Pferde in die Welt zu setzen. Er – nämlich der Henker, – werde das am Kiss-y-Darr beweisen!
Weil ich erst am Schluß dieser Unterredung kam, teilte mir der Hauptmann das Resultat derselben mit: „Ich habe den Ustad gebeten, sich ja nicht an diesem unsauberen Patron zu beschmutzen, sondern die Sache lieber mir zu überlassen, der ich die Polizei des Schah-in-Schah vorstelle. Für eine so zügellose und ‚abgrundtiefe‘ Anmaßung und Frechheit ist einzig nur die Peitsche richtig. Er wird sie bekommen, ganz bestimmt! Wann und in welcher Weise, das lehrt der Augenblick. Gebt mir nur die von ihm zurückgelassenen Kleidungsstücke, bei denen sich auch das Messer und das geheime Alphabet befindet. Weiter brauche ich nichts.“
Er bekam diese Gegenstände, und dann ging ich mit dem Ustad und Dschafar Mirza hinunter an den See, weil die Zeit gekommen war, die Preisrichter zu wählen. Das ging sehr schnell. Oberrichter wurde der Hauptmann der Leibgarde. Die andern waren Dschafar, Hadschi Halef, Ibn el Idrak und der Peder. Andere Konkurrenten gab es nicht, ein sehr triftiger Grund, auf allen Seiten mit dieser Wahl einverstanden zu sein.
Hierauf wurden die Bedingungen vereinbart. Sie waren sehr einfach: jede Aufforderung ist gegenseitig anzunehmen, weiter nichts! An diesen Verhandlungen nahmen auch der Scheik ul Islam, Ahriman Mirza und die Khanum Gul teil. Letztere hatte ihren Tribünenplatz zwischen den beiden Erstgenannten, doch nicht in unserer Nähe. Besonders aber war der Henker wegen des beabsichtigten Mordanschlages auf Dschafar Mirza stets von uns fern und unter strenger, aber unbemerkbarer Aufsicht zu halten.
Punkt zwölf Uhr sollte das Vorrennen beginnen, zunächst das heitere. Die Lastkamele, Esel, Ziegenböcke, Schafe und sonstige Konsorten standen schon bereit. Neben der Tribüne war ein erhöhter Stand errichtet worden, von welchem aus die einzelnen Touren angesagt werden sollten. Eine Kärna (Persisches Horn) hatte das Zeichen dazu zu geben. Eben erscholl der Ton dieses trompetenartigen Horns, und der Ausrufer wollte hinaufsteigen, da blieb er aber unten stehen, weil er verhindert wurde. Nämlich von Ghulam el Multasim, dem Henker, welcher auf seinem turkmenischen Tiukihfuchs geritten kam und grad an dem erhöhten Stand halten blieb. Er führte an einer langen Leine ein zweites Pferd, welches einen ebenso lächerlichen wie traurigen Anblick bot. Lächerlich war die Art und Weise, in der man es herausgeputzt hatte, traurig aber der Körperzustand, in dem es sich befand. Sein Alter betrug wohl sicher über zwanzig Jahre. An Schwanz und Mähne absichtlich dünn gerauft, trug es an diesen Stellen anstatt der Haare nur angebundenes Gerstenstroh. Kopf, Leib und Beine waren mit Dutzenden von Pflastern beklebt. Einen Sattel hatte es nicht, und so sah man, wie fürchterlich wund es geritten war. Aber in das Maul hatte man ihm eine jener fürchterlichen Trensenkandaren gezwängt, mit deren Hilfe man sogenannte ‚Pferdeteufel‘ entweder zum Gehorsam oder zum Tod reitet.
„Allah verfluche diesen Schinder!“ hörte ich des empörten Hadschi Stimme hinter mir. Und Kara, sein neben ihm sitzender Sohn, fügte in gleichem Abscheu hinzu: „Darf man das dulden? Vater, gib mir deine Karbatsch (Peitsche)! Ich fühle, daß ich sie brauchen werde!“
So dachte und fühlte der ‚unzivilisierte‘ Sohn der Wüste, nicht aber der sich hoch über ihm dünkende Renegat der christlichen Kirche, denn das war der Multasim! Er schwang sich von seinem Turkmenen, stieg an Stelle des Ausrufers die Stufen hinauf, so daß er von jedermann zu sehen war, und rief mit lauter, weithin schallender Stimme:
„Das Zeichen wurde gegeben; das lustige Rennen beginnt. Der Scheik ul Islam hat mich beauftragt, den Anfang zu machen, mich, den die Gunst des Schah-in-Schah erfreut, und der ich zugleich die vereinigte Stimme aller rechtgläubigen Anhänger des Propheten bin. Ich fordere jeden Dschamiki hiermit zum lächerlichen Kampf heraus, vor allen Dingen ihren Ustad selbst, von dem ich euch folgendes zu erzählen habe.“
Und nun begann er, abermals jenen auswendig gelernten Vortrag zu halten, welcher schon mehr als genügend bezeichnet worden ist. Seine Rede strotzte förmlich von Lügen, Verdrehungen und Beleidigungen. Man hörte jedem seiner Worte an, daß es nur daraufhin überlegt und angebracht worden war, der gewissenlosesten
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