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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gehässigkeit zu dienen und der ekelhaftesten Freude am Skandal willen zu sein. Es wurde mir fast zum Erbrechen übel! Wie bewunderte ich die Ruhe und Selbstbeherrschung unserer Dschamikun, die ihn vollständig ausreden ließen, ohne daß es einem einzigen einfiel, ihn auch nur anzurühren! In unserem hochgesitteten Abendland hätte man solcher Niederträchtigkeit wohl sehr schnell Einhalt getan! Denn da wacht, Gott sei Dank, besonders die öffentliche Presse darüber, daß solchen Prangerknechten und Ehrenhenkern so schnell wie möglich das geschieht, was ihnen zuzukommen hat. Hier aber verhielt man sich bis zum letzten Wort des Vortrages vollständig still. Dann ließ der Scheik ul Islam ein schmetterndes „Ssyhaßyh – bravo, herrlich!“ hören. Ahriman schrie: „Chähi, chähi!“ was ganz dieselbe Bedeutung hat. Die Gul schlug die fetten Hände zusammen und rief: „Bäh, bäh!“ – der gebräuchliche Bewunderungsruf für Taschenspielerkunststücke. Einige nahe stehende Taki, Massabahn und Schatten stimmten wohl oder übel mit halber Tonkraft ein; im übrigen aber herrschte Schweigen, kein einziger Laut des Mißfallens war zu hören. Anstatt dieses allgemeine Schweigen klugerweise für bedrohlich zu halten, nahm der Henker in seiner beispiellosen Verblendung an, daß es ein Zeichen der Zustimmung sei, und fuhr fort:
    „Schaut hin! Da sitzt nun dieser Ustad mitten unter euch, auf eurem schönsten Platz! Ich frage euch: Was tut er wohl, indem ich ihn vernichte und zermalme? Er lächelt, lauscht und schweigt! Ich weiß, dies Lächeln soll euch imponieren, jedoch bei mir verfehlt es diesen Zweck. Es soll den Anschein geben, als ob er mich verachte, ist aber nichts, als nur Verlegenheit! Und warum dieses Schweigen? Wozu hat er den Mund? Wer angegriffen wird und sich nicht schuldig fühlt, der hat doch wohl die Pflicht, sich zu verteidigen! Er aber sagt kein Won. Er hat geschwiegen und schweigt immer weiter, als ob – – –“
    Er kam nicht weiter. Der Hauptmann der Leibgarde, der sich mit einigen seiner Leute den Ausruferstand unauffällig genähert hatte, sprang jetzt zu ihm hinauf, faßte ihn beim Genick und rief: „Er hat geschwiegen, weil er sicher wußte, daß jede faule Frucht von selbst vom Baum fällt! So falle denn! Hinab mit dir, denn deine Zeit ist da!“
    Er schleuderte ihn seinen Leuten zu, die ihn sofort packten und in ihr nahe liegendes Zelt führten. Da sprang der Scheik ul Islam ebenso wie Ahriman Mirza auf.
    „Was soll das sein?!“ rief der erstere aus. „Wer gibt dir das Recht, dich an diesem Ehrenmann zu vergreifen?! Er steht unter meinem Schutz!“
    „Schutz?“ lachte der Hauptmann ihm von oben herunter zu. „Wenn du nur fähig wärest, dich selbst zu schützen!“
    „Auch unter dem meinigen!“ behauptete Ahriman Mirza drohend. „Was hast du überhaupt hier bei den Dschamikun zu suchen?“
    „Das will ich dir gern sagen: Ich suche nach dem Obersten der Schatten, der hier seit kurzer Zeit sein dunkles Wesen treibt. Ich denke, daß ich ihn bald finden werde, da ich nun seinen Freund und Henker habe! Setzt Euch nur augenblicklich wieder nieder! Ich möchte sehen, ob es Euch wohl gelänge, so still zu sein und so bewußt zu lächeln, wie es dem Ustad vorgeworfen wurde!“
    „Welch eine Frechheit! Ich bin ein kaiserlicher Prinz und kann dich augenblicklich köpfen lassen, von deinen eigenen Leuten!“
    „Versuche es!“ Er zog den kleinen Lederumschlag aus der Tasche, hielt ihn empor und fuhr fort: „Kennst du wohl dieses Täliq-Alphabet, mit dessen Hilfe ich gewisse Briefe lese? Ich las auch folgenden: An Ghulam el Multasim, meinen Henker! Es ist die Zeit gekommen, daß die Gul-i-Schiraz auf der Brust von Dschafar Mirza zu erblühen hat. Das soll am fünften Tage des Monates Schaban geschehen, zur Zeit des Abendgebetes, keine – – –“
    „Wo hast du das her, woher?!“ brüllte Ahriman ihm mitten in den Satz hinein, indem er sich über die Spitze der Tribüne schwang, um ihm das Alphabet zu entreißen.
    Da stand der Ustad auf, nahm ihn fest und scharf in das Gesicht und rief ihm zu: „Schau her zu mir, Mirza; ich kann es dir sagen! Dein Chodem war bei ihm und hat es ihm verraten! Wer aber seinen Chodem von sich läßt, der ist verrückt – – – verrückt – – – verrückt!“
    Da blieb Ahriman halten, fuhr sich mit der Hand schnell an die Stirn, als ob er da geschlagen worden sei, stieß einen Schrei aus, sprang von der Tribüne herab und verschwand

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