23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
Sein Pferd war vom Hauptmann konfisziert worden; den Kiss-y-Darr aber hatte der Ustad jetzt mitgebracht, um ihn wieder gesund zu pflegen.
Der Regen ließ auch für später nicht nach. So war nichts mehr zu machen, und wir gingen in der Hoffnung schlafen, daß er sich bis morgen ausgegossen haben werde. – Es legte sich heut wohl kein Mensch so hochbefriedigt, sostolz nieder wie Hadschi Halef und Hanneh. Ihr Sohn war unbedingt der Held des heutigen Tages gewesen, und ich hatte ihnen gesagt, daß dies nicht etwa Zufall, sondern in der vortrefflichen Begabung Karas begründet sei. Das war eine Wonne für meinen Hadschi, der, als ich am andern Morgen aufstand, soeben in die Sänfte stieg, um sich nach der Tribüne tragen zu lassen, denn Ahriman Mirza und der Scheik ul Islam hatten einen Zusammentritt des Preisgerichts und der Dschema gefordert, weil sie gleich heut früh einen wichtigen Antrag zu stellen hätten. Bei einer solchen Beratung mußte der ‚Scheik der Haddedihn‘ natürlich gegenwärtig sein, und wenn er noch so schwach gewesen wäre! Der gestrige Tag aber war ihm außerordentlich gut bekommen, natürlich infolge der Freude über das brave Verhalten seines Sohnes.
Nach einer Stunde, als die Verhandlungen vorüber waren, welche der Ustad geleitet hatte, kam dieser selbst nach dem Haus herauf, um mich aufzusuchen und abzuholen. Da erfuhr ich denn, welche Wünsche Ahriman Mirza und der Scheik ul Islam vorgebracht hatten. Diesen beiden Herren schien nämlich der Gedanke, sich nach der gestrigen Blamage den ganzen heutigen Tag den Blicken einer so großen Volksmenge auszusetzen, sehr peinlich zu sein. Sie hatten sich also schon am frühesten Morgen darüber geeinigt, daß das Rennen, wenigstens für sie und ihre Zwecke, so kurz wie möglich abzumachen sei. Daher ihr Antrag. Dieser lautete: Die edlen Pferde, welche eigentlich laufen sollten, laufen nicht, werden aber als Gewinne gestellt. Wirklich rennen werden von jeder Seite nur drei. Wer in zwei Rennen siegt, gewinnt sämtliche Pferde. Keiner von diesen drei Matadoren darf zweimal laufen, und sie vorher vorzuzeigen, ist nicht nötig. Die Preispferde müssen gegenseitig von gleichem Wert sein.
Was ich nun erwartete, das war auch geschehen: Die Dschamikun hatten diesen Antrag einstimmig angenommen, und man war unten am See jetzt schon sehr fleißig dabei, die Preise zu taxieren und zu vergleichen. Diese Bedingungen bezogen sich auch auf ein voranzugehendes Kamelrennen, bei welchem die Chancen der Dschamikun freilich nicht günstig standen, weil ihre Tiere mehr in die Berge als für den Schnellauf in der Ebene paßten, während dem Emir-y-Sillan jedenfalls die besten Eilkamele seiner Schatten und Massaban zur Verfügung standen. Dieser Mangel aber wurde, zumal unter den neuen Bedingungen, durch die beiden Leibkamele unserer Hanneh vollständig ausgeglichen.
Da wir nur Syrr verbergen, sonst aber mit unsern Matadoren nicht Verstecken spielen wollten, gab der Ustad Befehl, die letzeren für unsere Boten bereit zu halten. Syrr jedoch wurde mit alten Decken behangen und ganz heimlich hinunter zum Chodj-y-Dschuna gebracht und in dessen Hof gestellt, den niemand betreten durfte. Als wir dann gehen wollten, fragte Schakara, ob sie dieses gewiß seltene Rennen mit ansehen dürfe, und wir freuten uns darüber, ihr einen guten Platz zwischen uns beiden versprechen zu können.
Was das Wetter betrifft, so war es so, wie wir es uns gar nicht besser hatten wünschen können. Es hatte zwar bis spät nach Mitternacht ‚wie aus Flußmulden‘ gegossen; alles Buschwerk hing von der Schwere des herabgestürzten Wassers tief niederwärts; die Stauden und Gräser lagen hart am Boden, und gar mancher Baum war mitsamt den Wurzeln ausgewuchtet worden; die Wege waren schnell wieder getrocknet, und die Rennbahn lag sogar noch besser da als gestern, weil die Wucht der Regenmassen von ebnender Wirkung gewesen war.
Als wir mit Dschafar Mirza, der nun wahrscheinlich seines Lebens wieder sicher sein konnte, hinunterkamen, sahen wir, wie sehr Ahriman und der Scheik ul Islam sich beeilt hatten, ihre Preise zu stellen. Sie waren beide persönlich da, um darüber zu wachen, daß ihnen nur Gleichwertiges gegenübergesetzt wurde, denn es lag ja in ihrer Absicht, uns alles Gute abzugewinnen und dann über den zurückgebliebenen Schund zu lachen und zu lästern. Dadurch hatten sie aber auch sich selbst gezwungen, nur ihr Bestes daranzuwagen, und ich war sehr neugierig darauf, wie dieses
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