23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)
Jahrhunderts das allgemeine Wahlrecht (für Männer) forderten, die schwarze Bürgerrechtsbewegung in den USA Mitte der Sechziger, die Antiapartheidbewegung in Südafrika in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und der Kampf der niederen Kasten im heutigen Indien. Ohne diese und zahllose andere Kampagnen von Frauen, unterdrückten Rassen und Menschen aus niederen Kasten würden wir immer noch in einer Welt leben, in der eine Beschränkung der Rechte aufgrund der Geburt als normal betrachtet wird.
In diesem Kampf gegen die Chancenungleichheit ist der Markt eine große Hilfe gewesen. Wenn Effizienz allein das Überleben sichern kann, gibt es im Bereich des Handels keinen Raum für rassische oder politische Vorurteile, soweit es nach den Marktliberalen geht. In seinem Buch Capitalism and Freedom brachte es Milton Friedman auf den Punkt: »Niemand, der ein Brot kauft, weiß, ob der Weizen dazu von einem Kommunisten oder von einem Republikaner angebaut wurde … oder von einem Schwarzen oder von einem Weißen.«
Deshalb, so Friedman, werde der Markt den Rassismus schließlich beenden oder zumindest stark eindämmen, weil rassistische Arbeitgeber, die darauf beharrten, ausschließlich Weiße zu beschäftigen, durch weltoffenere Unternehmer vom Markt verdrängt würden, die ungeachtet der Rasse die fähigsten verfügbaren Arbeitskräfte einstellten.
Dies wird durch die Tatsache veranschaulicht, dass selbst das berüchtigte Apartheidregime in Südafrika japanische »Ehrenweiße« zulassen musste. Es kam nicht infrage, dass die japanischen Manager, welche die Niederlassungen von Toyota oder Nissan leiteten, in Townships wie Soweto untergebracht wurden, wo Nichtweiße nach dem Apartheidgesetz leben mussten. Deshalb mussten die rechtsextremen Südafrikaner die bittere Pille schlucken und so tun, als wären die Japaner Weiße – wenn sie weiterhin mit japanischen Autos herumfahren wollten. Das ist die Macht des Marktes.
Die Macht des Marktes als »Gleichmacher« reicht weiter, als man denkt. Wie die Verfilmung von Alan Bennetts Theaterstück Die History Boys – Fürs Leben lernen so schön zeigt, mangelt es Schülern aus benachteiligten gesellschaftlichen Gruppierungen in der Regel an intellektuellem und sozialem Selbstvertrauen, was ihnen den Zugang zu Eliteuniversitäten erschwert – und damit später auch zu besser bezahlten Jobs. Natürlich müssen Universitäten nicht so rasch auf den Druck des Marktes reagieren wie Firmen. Wenn eine Universität jedoch dauerhaft ethnische Minderheiten oder Kinder aus der Arbeiterklasse diskriminierte und trotz geringerer Qualifikationen ausschließlich Menschen mit dem »richtigen« sozialen Background zuließe, würden potenzielle Arbeitgeber irgendwann die Absolventen nichtrassistischer Universitäten bevorzugen. Die rassistische Universität hingegen müsste früher oder später ihre Vorurteile ablegen, wenn sie wollte, dass sich dort nur die besten Studenten einschrieben.
Angesichts dieser Argumente ist es verführerisch zu glauben, dass der Markt durch seine Wettbewerbsmechanismen sämtliche verbleibenden Vorurteile beseitigen würde, sobald man ein System der Chancengleichheit schaffte, das frei von jeder formalen Diskriminierung wäre und sich ausschließlich an Leistungen orientierte. Das ist jedoch erst der Anfang. Um eine wirklich gerechte Gesellschaft aufzubauen, bedarf es weit mehr.
Das Ende der Apartheid und die Cappuccino-Gesellschaft
Es gibt zwar immer noch zu viele Menschen mit Vorurteilen gegenüber bestimmten Rassen, armen Menschen, Angehörigen niederer Kasten und Frauen, doch würden sich heute nur noch wenige Menschen offen gegen das Prinzip der Chancengleichheit aussprechen. An einem Punkt jedoch gehen die Meinungen scharf auseinander. Einige finden, dem Prinzip der Gleichheit wäre durch die Chancengleichheit Genüge getan. Andere wiederum – darunter auch ich selbst – glauben, dass eine bloß formale Chancengleichheit nicht ausreichend ist.
Verfechter eines freien Marktes warnen davor, anstatt lediglich die Möglichkeiten zu bestimmten Handlungen auch die Ergebnisse menschlichen Handelns anzupassen, da dies für Innovation und Arbeitsmotivation einen gewaltigen Hemmschuh darstelle. Würden Sie noch hart arbeiten, wenn Sie wüssten, dass Ihnen – was Sie auch tun – dafür exakt das Gleiche gezahlt wird wie Ihrem Kollegen, der den ganzen Tag nur herumbummelt? Ist das nicht genau der Grund, warum die chinesischen Agrarkommunen unter Mao Zedong ein
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