23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)
und die verschiedenen Formen staatlicher Plantätigkeit ergeben zusammen eine sehr dichte planerische Struktur. Eine interessante Schlussfolgerung, die man daraus ziehen kann, ist, dass in reichen Ländern mehr geplant wird als in armen, bedingt durch die vermehrte Aktivität großer Konzerne und eine oft sehr weit reichende (wenngleich durch ihren subtilen Ansatz häufig nicht sofort erkennbare) Präsenz der Regierung.
Die Frage ist also nicht, ob man planen soll oder nicht. Vielmehr geht es um angemessene Planungsformen und -grade für verschiedene Aktivitäten. Das Vorurteil gegenüber aller Planung ist angesichts des Versagens der zentralen Planwirtschaft im Kommunismus zwar verständlich, doch verkennen wir dadurch allzu leicht das wahre Wesen der modernen Volkswirtschaft, in der Regierungspolitik, Konzernplanung und Geschäftsbeziehungen feste Bestandteile sind und auf komplexe Weise zusammenwirken. Ohne Märkte landen wir bei der Ineffizienz des Sowjetsystems. Zu denken, man könne sich allein auf den Markt verlassen, ist hingegen so, als glaubte man, sich ausschließlich von Salz ernähren zu können, weil Salz überlebenswichtig ist.
Zwanzig: Chancengleichheit ist nicht gleich Gerechtigkeit.
Was sie uns erzählen
Viele Menschen regen sich über Ungleichheit auf. Es gibt jedoch verschiedene Arten von Gleichheit. Wenn wir alle Menschen ohne Rücksicht auf ihre Leistungen und Mühen gleich belohnen, verlieren die Begabteren und diejenigen, die härter arbeiten als andere, jeglichen Arbeitsanreiz. Das wäre die Folge einer solchen Ergebnisgleichheit – eine schlechte Idee, wie der Niedergang des Kommunismus bewiesen hat. Die Gleichheit, die wir anstreben sollten, ist eine Gleichheit der Möglichkeiten. Zum Beispiel war es nicht nur ungerecht, sondern auch ineffizient, dass es schwarzen Studenten im Südafrika der Apartheid nicht erlaubt war, bessere, »weiße« Universitäten zu besuchen, selbst wenn sie die Zulassungsvoraussetzungen erfüllten. Alle Menschen sollten die gleichen Chancen haben. Natürlich ist es ebenso ungerecht und ineffizient, positive Diskriminierung zu betreiben und auf einmal Studenten mit geringerer Qualifikation zuzulassen, nur weil sie schwarz sind oder aus schwierigen Verhältnissen stammen. Wenn wir versuchen, am Ergebnis herumzudoktern, übergehen wir nicht nur Begabungen, sondern bestrafen sogar diejenigen, die am begabtesten sind und sich am meisten anstrengen.
Was sie uns verschweigen
Chancengleichheit ist der Ausgangspunkt für eine gerechte Gesellschaft. Sie allein genügt aber noch nicht. Selbstverständlich sollten Einzelne für bessere Leistungen belohnt werden, doch stellt sich die Frage, ob sie dabei die gleichen Bedingungen vorfinden wie ihre Mitbewerber. Wenn ein Kind schlechte Schulnoten hat, weil es hungrig ist und sich deshalb im Unterricht nicht konzentrieren kann, kann man nicht sagen, es sei schlecht in der Schule, weil es eben nicht so begabt sei wie andere. Ein fairer Wettbewerb kann nur dann erreicht werden, wenn das Kind genug zu essen bekommt – entweder zu Hause durch eine Unterstützung der Familie oder in der Schule durch kostenlose Schulspeisung. Solange es nicht eine gewisse Ergebnisgleichheit gibt (etwa dass die Einkommen aller Eltern ein bestimmtes Minimum nicht unterschreiten, damit ihre Kinder keinen Hunger leiden müssen), hat auch die Chancengleichheit (zum Beispiel kostenlose Schulbildung) nur wenig Sinn.
Päpstlicher als der Papst?
In Lateinamerika verwenden die Menschen regelmäßig den Ausdruck, jemand sei »päpstlicher als der Papst« (mas Papista que el Papa). Dies bezieht sich auf die Unart von Gesellschaften in der intellektuellen Peripherie, religiöse, wirtschaftliche und soziale Doktrinen wesentlich strenger anzuwenden als das jeweilige Herkunftsland.
Meine eigenen Landsleute, die Koreaner, sind wahrscheinlich Weltmeister darin, »päpstlicher als der Papst« zu sein (nicht ganz wörtlich zu verstehen, denn nur etwa zehn Prozent sind Katholiken). Korea ist kein ganz kleines Land. Die Bevölkerung von Nord- und Südkorea, die bis 1945 fast ein Jahrtausend lang ein Land bildete, beläuft sich heute auf insgesamt fast 70 Millionen. Zufällig liegt Korea jedoch mitten in einer Zone, wo die Interessen der Giganten – China, Japan, Russland und die USA – aufeinanderprallen. Wir sind also sehr geschickt darin geworden, die Ideologie eines der großen Jungs zu übernehmen und darin noch orthodoxer zu werden als er selbst. Wenn wir
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