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23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

Titel: 23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ha-Joon Chang
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müsse es egal sein, ob er Bürgern des eigenen Staates oder Ausländern gehöre. Wenn alle Großkonzerne bereit sind, auf der Suche nach den besten Gewinnchancen überall hinzugehen, so hört man, würde ein Staat, der Investitionen durch ausländische Unternehmen erschwert, verhindern, dass er von diesen ausländischen Konzernen profitiert, obwohl sie doch in seinem Land gute Investmentaussichten ausgemacht haben. Das ist doch alles völlig logisch, oder nicht?

Chrysler: amerikanisch, deutsch, (wieder) amerikanisch und (bald) italienisch

    Im Jahr 1998 gingen der deutsche Automobilkonzern Daimler-Benz und der amerikanische Autobauer Chrysler eine Fusion ein. In Wahrheit handelte es sich um eine Übernahme Chryslers durch Daimler-Benz, doch als sie verkündet wurde, präsentierte man sie als Hochzeit zweier gleichwertiger Partner. Den Vorstand des neuen Unternehmens Daimler-Chrysler bildeten gleich viele Deutsche und Amerikaner. Das änderte sich allerdings rasch, denn bald war die Mehrzahl der Vorstandsmitglieder deutsch: Zehn bis zwölf Deutschen saßen, je nach Jahr, nur ein oder zwei Amerikaner gegenüber.
    Leider war die Übernahme alles andere als erfolgreich. Im Jahr 2007 verkaufte Daimler-Benz Chrysler an Cerberus, eine amerikanische Investmentgesellschaft. Da Cerberus ein amerikanisches Unternehmen ist, setzte sich der Vorstand nun wieder überwiegend aus Amerikanern zusammen, wobei Daimler mit noch immer 19,9 Prozent der Anteile ebenfalls repräsentiert war.
    Da es Cerberus nicht gelang, das Unternehmen aus den roten Zahlen zu holen, ging Chrysler im Jahr 2009 bankrott. Mit finanzieller Unterstützung der US-Regierung und einer umfangreichen Kapitalbeteiligung durch den italienischen Autobauer Fiat wurde das Unternehmen umstrukturiert. Als Fiat zum größten Aktionär wurde, machte der Konzern seinen CEO Sergio Machionne auch zum Chef von Chrysler und entsandte einen weiteren Fiat-Manager in den neunköpfigen Chrysler-Vorstand. Fiat hält im Moment zwar nur 20 Prozent der Aktien, hat jedoch die Option, den Anteil auf 45 und schließlich auf 51 Prozent zu erhöhen. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass der Anteil der Italiener im Vorstand mit dem steigenden Aktienanteil des Fiat-Konzerns zunehmen wird.
    Damit wurde das uramerikanische Unternehmen Chrysler im letzten Jahrzehnt zuerst von Deutschen, dann (wieder) von Amerikanern und (in zunehmendem Ausmaß) von Italienern geführt. So etwas wie »staatenloses« Kapital gibt es nicht. Auch mächtige, ehemals amerikanische Firmen werden nach der Übernahme durch ein ausländisches Unternehmen am Ende von Ausländern geleitet – nichts anderes besagt doch bei näherem Nachdenken der Begriff »Übernahme«. In den meisten Unternehmen, egal, wie international ihr Geschäft auch sein mag, sind die Topentscheidungsträger noch Staatsbürger des Landes, in dem sich der Firmensitz befindet, obwohl sich dieses Fernmanagement, wenn der neue Mutterkonzern keine Spitzenmanager in das erworbene Unternehmen entsendet, durchaus negativ auf die Effizienz auswirken kann. Doch Spitzenmanager ins Ausland zu schicken ist teuer, insbesondere dann, wenn die räumliche und kulturelle Distanz zwischen den betreffenden Ländern groß ist. Carlos Ghosn bildet hier die Ausnahme, die die Regel bestätigt.
    Nicht nur, was die Wahl der Spitzenkräfte angeht, richten sich Konzerne auf ihr Stammland aus. Das gilt auch und besonders in der Forschung und Entwicklung, die in den meisten Branchen über die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens entscheiden. Diese Aktivitäten bleiben überwiegend im Heimatland. Wenn sie doch ins Ausland verlagert werden, so meist in entwickelte Länder und solche mit einem starken »regionalen« Bezug, wobei ich unter »Regionen« hier Nordamerika, Europa oder Japan verstehe, das in dieser Hinsicht eine eigene Region bildet. In jüngster Zeit wurden in zunehmendem Maß auch Forschungs- und Entwicklungszentren in aufstrebenden Ländern wie China und Indien gegründet, doch die dort stattfindenden Aktivitäten befinden sich qualitativ betrachtet eher auf niedrigem Niveau.
    Sogar der unkomplizierteste Bereich eines Unternehmens und somit der wahrscheinlichste Kandidat für eine Verlagerung ins Ausland, die Produktion, ist in den meisten Weltkonzernen noch fest im Stammland verankert. Natürlich gibt es Beispiele wie Nestlé, dessen Produktion zum Großteil im Ausland stattfindet, doch das ist eher die Ausnahme. Bei den Unternehmen mit Sitz in den USA läuft

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