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23 Uhr, York Avenue

23 Uhr, York Avenue

Titel: 23 Uhr, York Avenue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Brodsky 'ran - das ist das Riesenbaby mit dem nassen Hirn -, und der mußte ihn untern Arm klemmen und zum Lastwagen 'runterbringen.
    Frage: Wo war Anderson, während dies alles vor sich ging?
    Haskins: Ach, der war - du weißt ja, Tommy - überall und nirgends. Er sah bei dem verkrüppelten Jungen in der Wohnung Fünf B nach, und dann ging er 'raus auf die Terrasse von Fünf B, um dort 'nen Blick um sich zu werfen. Dann sah er nach, wie dieses Ungeheuer aus Detroit mit den Mietern zurechtkam, die über den Flur nach Vier A gebracht worden waren, und dann half er wieder mal den Brodsky-Brüdern, 'n paar Sachen zum Möbelwagen 'runterzutragen, und dann strich er auf leisen Sohlen durch 'n paar von den leeren Wohnungen. Er behielt eben alles im Auge, weißt du? Er war ungemein auf Draht, sehr wachsam, sehr vorsichtig. Dann, als ich in der Wohnung Vier B alles zu Ende geschaukelt hatte, trug er mir auf, in den Keller 'runterzudonnern und nachzusehen, ob der Hausmeister noch am Schlafen wär, und als nächstes sollt' ich mal bei dem Krauskopf nachsehen, der in der Halle stationiert worden war. Also ging ich 'runter in den Keller, und der Hausmeister schnarchte immer noch friedlich vor sich hin.
    Frage: Haben Sie aus seiner Wohnung etwas mitgenommen?
    Haskins: O nein. Die war ja schon früher ausgeräumt worden. Ausgeräumt ist gut - wir hatten nur 'n antikes Triptychon zu fassen gekriegt.
    Frage: Der Hausmeister gibt an, er habe damals soeben seine Lohntüte in Empfang genommen; er hatte fast hundert Dollar in seiner Brieftasche, und sein Geld wurde entwendet. Haben Sie es genommen?
    Haskins: Tommy, das tut weh! Ich mag ja vieles sein, aber 'n billiger kleiner Einschleichdieb bin ich nicht.
    Frage: Als man Sie auf dem Polizeirevier durchsuchte, hatten Sie etwa vierzig Dollar in einer Geldspange bei sich. Und in der Innentasche Ihres Jacketts befanden sich annähernd hundert Dollar, die zu einem kleinen Päckchen gefaltet worden waren. Handelt es sich dabei um das Geld des Hausbesorgers?
    Haskins: Aber Tommy! Wie kannst du nur?
    Frage: Na schön. Was geschah als nächstes - nachdem Sie bei dem Hausbesorger Nachschau gehalten und festgestellt hatten, daß er noch schlief?
    Haskins: Duke hatte mir aufgetragen, auf dem Weg 'rauf auch bei Skeets Johnson in der Halle vorbeizuschauen. Der saß in der Portierloge im hinteren Teil der Halle, so daß ihn von der Straße aus keiner sehen konnte. Ich fragte ihn, ob alles in Ordnung wär'.
    Frage: Und was sagte er?
    Haskins: Er sagte, er hätt' keine Polypen oder Streifenwagen zu Gesicht gekriegt. Der einzige Mensch, den er gesehen hätt', sagte er, wär 'n Mann mit 'ner Zeitung unterm Arm und mit 'ner Jacke überm anderen Arm gewesen, und der wär' auf der anderen Straßenseite griesgrämig vorbeigetrottet. Er sagte, der Mann hätt' seinen Kopf nicht 'rüberbewegt, als er vorbeiging, also wär' das wohl auch nichts gewesen. Aber ich wußte genau, daß ihn irgendwas beunruhigte.
    Frage: Warum sagen Sie das?
    Haskin: Na ja, alles, was er bis jetzt gesagt hatte, war in Reimen gewesen, manche davon recht klug und amüsant. Der Mann war eindeutig talentiert. Aber jetzt redete er auf einmal ganz normal, einfach so wie du und ich, und diese gewisse Fröhlichkeit, die er früher am Abend gepflegt hatte, schien dahin. Im Lastwagen beispielsweise, auf dem Weg zu diesem Appartementhaus, hatte er uns pausenlos zum Lachen gebracht und uns alle mächtig aufgelockert. Aber jetzt konnte ich sehen, daß er ziemlich bedient war, und so fragte ich ihn nach dem Grund. Und er sagte, er hätt' eigentlich keine Ahnung, warum er bedient wär', aber er sagte - und ich kann mich haargenau an seine Worte erinnern-, er sagte: »Ich weiß nicht recht, aber irgendwas stinkt hier 'n bißchen.« Ich ließ ihn dort und ging wieder 'rauf und berichtete Duke, daß Skeets zwar keine Polypen oder Bullenautos gesehen, dafür aber Kummer hätt'. Duke nickte und trieb die Brodsky-Jungs mächtig an. Wir hatten's fast schon geschafft. Noch höchstens 'ne halbe Stunde, rechnete ich mir aus, und wir konnten Leine ziehen. Ich war nicht bedient. Ich fühlte mich wie 'n junger Gott. Ich fand, es war 'n ausgesprochen erfolgreicher Abend gewesen, weit über unsere verrücktesten Hoffnungen 'raus. Obwohl ich ja für 'nen fixen Pauschallohn arbeitete, wünschte ich mir innig, daß das ganze Ding klappte, weil's so ungemein aufregend war - ich hatte noch nie was von der Sorte gemacht - und weil ich mir dachte, Duke würd' mich

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