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23 Uhr, York Avenue

23 Uhr, York Avenue

Titel: 23 Uhr, York Avenue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Verächtlichkeit behandelte. Die Art, wie er immerzu seinen Revolver schwang. Die Art, wie er redete. Sein Lachen. Ich konnte deutlich sehen, daß er Spaß an der Sache hatte. Er stieß und schubste uns herum. Wenn er beispielsweise wollte, daß der Portier vom Fenster wegging, so sagte er ihm nicht, er möge weggehen, sondern stieß ihn so grob zur Seite, daß der arme Tim O'Leary hinfiel. Dann lachte der Mann wieder sein gemeines Lachen. Ich glaube, ich hatte Angst vor ihm. Vielleicht schämte ich mich deshalb.
    Frage: Dieser Mann bedrohte Sie alle mit einer geladenen Schußwaffe. Es gab guten Grund, sich zu fürchten.
    Bingham: Nun ja… ich weiß nicht. Ich habe an den Kampfhandlungen in Korea teilgenommen. Kleine, unbedeutende Infanteriegefechte. Auch damals hatte ich Angst, aber ich schämte mich nicht. Hier liegt ein Unterschied, aber der ist nur schwer zu erklären. Ich wußte, daß dieser Mann sehr niederträchtig und sehr brutal und sehr gefährlich war.
    Frage: Schön, lassen wir das… machen wir weiter. Letzthin sagten Sie dann, um etwa drei Uhr dreißig, vielleicht auch etwas später, seien vier von den anderen Männern hereingekommen und hätten Sie alle in die Wohnung Vier A auf der anderen Seite des Flurs verlegt.
    Bingham: Das ist richtig. Ich konnte gehen, von meiner Frau und Dr. Rubicoff gestützt, und die Männer holten uns alle aus der Wohnung Vier B und schafften uns nach Vier A.
    Frage: Wurde Ihnen von den Männern gesagt, weshalb Sie umquartiert wurden?
    Bingham: Nein. Jener Mann, der ihr Anführer zu sein schien, kam einfach herein und sagte nur: »Alles 'raus und über den Flur. Beeilung. Los, bewegt euch.« Oder so ähnlich.
    Frage: Er drängte Sie und die anderen festgehaltenen Personen zur Eile?
    Bingham: Ja. Nun, vielleicht bildete ich mir's nur ein - ich war noch immer einigermaßen geschwächt und zittrig, müssen Sie wissen -, aber ich fand, daß eine gewisse Spannung Platz gegriffen hatte. Die Männer stießen uns an; wir sollten uns schneller bewegen. Sie schienen jetzt in großer Eile. Anfangs, als sie vor meiner Wohnungstür gestanden hatten, viel früher, waren sie beherrschter gewesen, auch eher bedächtig. Jetzt hasteten sie umher und schubsten die Leute.
    Frage: Woran lag das Ihrer Ansicht nach?
    Bingham: Ich fand, sie wirkten ängstlich, ganz als fühlten sie sich durch irgend etwas bedroht und wollten alles so schnell wie möglich hinter sich bringen, um dann in aller Eile abzuhauen. Diesen Eindruck hatte ich ganz stark.
    Frage: Die Räuber seien ängstlich geworden, fanden Sie? Gab Ihnen das nicht einigen Auftrieb?
    Bingham: Nein. Ich schämte mich noch immer.

70
    Es folgt der erste einer Reihe von Auszügen aus dem Abschlußbericht von Hauptmann Edward X. Delaney - einem Dokument, das sich gewissermaßen zu einem Klassiker der nicht eben kargen Literatur der New Yorker Polizeidirektion gemausert hat und in den Polizeijournalen von sieben Ländern abgedruckt wurde, darunter auch der Sowjetunion. Der Bericht trägt das amtliche Aktenzeichen NYPD-EXD-1 SEP 1968.
    »Um annähernd 3.24 Uhr traf ich an der Ecke Dreiundsiebzigste Straße Ost und York Avenue ein. Ich war vom Wachzimmer des 251. Distrikts herübergefahren worden. Mein Fahrer war der Beamte Aloysius McClaire. Sogleich erblickte ich den angeforderten Streifenwagen, der quer über die York Avenue geparkt worden war, was ein Entkommen aus derselben vermeintlich ausschloß; indessen befand sich das Fahrzeug in untauglicher Position. Es handelte sich um den Wagen George Vierundzwanzig. (Siehe Anhang IV, der eine vollständige Namenliste der beteiligten Mannschaften enthält.) Nachdem ich mich ausgewiesen hatte, verfügte ich, der Wagen solle der Mitte des Häuserblocks geringfügig genähert und dort an einem Punkt in Stellung gebracht werden, wo zu beiden Seiten der Straße Privatfahrzeuge parkten. Solchermaßen wurde der in Frage stehende Fluchtweg weit nachhaltiger blockiert.
    An der nordwestlichen Ecke der Kreuzung Dreiundsiebzigste Straße Ost und York Avenue befindet sich eine öffentliche Telephonzelle. Der Münzfernsprecher darin funktionierte nicht, wie ich alsbald feststellen mußte. (Die in der Folge durchgeführten Untersuchungen ergaben, daß die Apparate sämtlicher öffentlicher Telephonzellen in einem Umkreis von zehn Häuserblocks vom Schauplatz des Verbrechens aus gesehen, mutwillig und vorsätzlich beschädigt worden waren. Dieser Umstand verdient besondere Beachtung, erhellt er doch auf

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