2309 - Die Augen von Charon
schützen konnte, können wir das erst recht nicht."
Die Sekunden schleppten sich dahin. Gespannt beobachtete ich auf den Holos, wie die Mitglieder des Rettungskommandos das Wrack verließen, winzige, nur in Vergrößerung auszumachende Gestalten in Raumanzügen, die sich dann in Gleitern und Beibooten sammelten. Mir kamen ihre Bewegungen unerträglich langsam vor, obwohl ich wusste, dass ihr Rückzug wohlgeordnet und so schnell wie möglich vonstatten ging. „Startvorbereitungen!"
Wir hatten keine Möglichkeit, gegen die Dunkelfelder und Potenzialkanonen des Feindes das Geringste zu unternehmen; uns blieb nichts anderes als der Rückzug. Ich suchte auf den Holos nach einem geeigneten Objekt, fand eins und ermittelte die Koordinaten unseres nächsten Treffpunkts. „Volle Beschleunigung, sobald alle Einsatzkräfte an Bord sind! Ab sofort müssen wir davon ausgehen, dass auch TRAITOR im Umfeld der Charon-Wolke präsent ist. Weiterhin volle Ortung! Diese Truppen werden Dunkelfelder benutzen und so gut wie nicht zu entdecken sein."
„Verstanden", bestätigte Alysha. „Ortersonden ausschleusen. Sie werden etwaige Vorgänge aufzeichnen und uns informieren, falls sich hier etwas tut."
Gaiomo Gredor bestätigte. „Ortung", meldete er dann. „Ein weiterer Verband der Arkoniden nähert sich. Anweisungen?"
„Übermittle die gewonnenen Erkenntnisse per Hyperfunk. Füge auch Holoauf-Zeichnungen bei. Ich möchte nicht, dass es zu irgendwelchen Missverständnissen kommt."
Der Leiter der Abteilung Funk und Ortung machte sich an die Arbeit. „Rettungskommandos eingeschleust!" Alysha Saronns Stimme klang angespannt. Sie wusste so gut wie ich, dass die Schiffe der Terminalen Kolonne jeden Augenblick aus dem Schutz ihres Dunkelfelds auftauchen und zuschlagen konnten. Dann gab es keine Hoffnung mehr für unseren kleinen Konvoi. „Alle drei Einheiten ... Rückzug!"
Die Sekunden schienen noch langsamer zu verstreichen. Die VERACRUZ beschleunigte. Ich verfluchte zum tausendsten Mal die verdammte Hyperimpedanz, die unsere Raumschiffe zu schwerfälligen Giganten machte. 40 Prozent Licht... 45 ... 48 ... Endlich ging der EXPLORER auf Überlicht, und ich atmete auf.
Die Filter blendeten die lodernde Sonnenglut auf eine erträgliche Helligkeit ab, und die Temperatur in der Zentrale hatte sich nicht verändert. Dennoch spürte ich bei Angehörigen der Führungscrew das Unbehagen, das sich unwillkürlich einstellte, wenn man im Orterschatten einer Sonne kreiste. Die Korona war allgegenwärtig, schien nach einem zu greifen, nur darauf zu warten, dass durch einen dummen Zufall Schiffssysteme ausfielen und man wehrlos dem tödlichen Sog der dann unwiderstehlichen Gravitation ausgesetzt war.
Auf der einen Seite die namenlose Sonne, auf der anderen die Charon-Wolke, die riesige, leicht„gekrümmte Wand von 24 Lichtjahren. Auf dem matt schimmernden Strukturgestöber hatten sich wieder Augen gebildet, ruhige Zonen, die uns zu beobachten schienen, wie wir unsererseits den Sternhaufen beobachteten. „Vorerst dürften wir in Sicherheit sein", fasste ich zusammen. „Zwar liegen uns keine exakten Kenntnisse über die wahren Möglichkeiten der Terminalen Kolonne vor, doch wenn eine Sonnenkorona keinen Schutz mehr bietet, was dann?"
Kommandantin Saronn seufzte leise. „Und was nun?", fragte sie. „Ich nehme nicht an, dass du hier Wurzeln schlagen willst..."
Ich spürte, dass meine Augen leicht tränten. „Genau das werden wir tun", erwiderte ich. „Zumindest die VERACRUZ und die TABASCO."
Ich hob die Hand, öffnete sie und zeigte den Speicherkristall, den ich darin verborgen hatte. „Die AUBERG hingegen wird unverzüglich als Kurier zum Solsystem fliegen und Verstärkung zur Charon-Wolke holen."
Alysha Saronn runzelte die Stirn. „Es gibt zwar vom Milchstraßenzentrum keine Funkbrücke zum Solsystem, doch die AUBERG brauchte eigentlich doch nur bis zum nächsten Funk-Punkt zu fliegen, von dem aus Funkverbindung ins Relaisnetz möglich ist. Du weißt, welche Bedingungen hier im Bereich des galaktischen Zentrums herrschen. Die AUBERG wird zunächst nur sehr geringe Überlicht-Faktoren erreichen und für die fast 30.000 Lichtjahre bis zum Solsystem rund ..."
„... rund vierunddreißig Tage Flugzeit benötigen", unterbrach ich die Kommandantin. „Bei sofort angetretenem Rückflug insgesamt also etwa achtundsechzig Tage, und dann darf nichts schief gehen. Und ja, ich weiß, bei einer Hawk-Reichweite von fünfundzwanzigtausend
Weitere Kostenlose Bücher