2309 - Die Augen von Charon
Kolonnen-Motivator nicht geheuer. Nicht, weil er seine Leistung als Kommandeur beurteilen würde, sondern eben, weil er sie beeinflusste. Ain Cokkry fühlte sich in seiner unmittelbaren Gegenwart nicht mehr wie er selbst. Der Kolonnen-Motivator stellte irgendetwas mit ihm an, manipulierte ihn. „Nein!" Seine Stimme hallte durch die Zentrale der ACARO 1033.
„Wagt es ja nicht! Ich werde diese Disziplinlosigkeiten nicht länger dulden! Ban Tosska, Myk Dennso! Vergesst nicht, wer ihr seid und wie unsere Aufgabe lautet!"
Früher hätten die beiden Streithähne nicht auf ihn gehört. Er hätte entweder eingreifen oder abwarten müssen, bis sie sich wieder beruhigt hatten oder einer von ihnen keine Kraft zum Kämpfen mehr hatte. Zumindest das hatte sich seit dem Eintreffen des Beobachters geändert.
Der Feuerleitoffizier verharrte mitten in der Bewegung. Er fuhr alle drei Augen aus und richtete eins zögernd auf den Kommandeur. Die eigentlich ziemlich hell gemaserte Haut des halbkugelförmigen Kopfs hatte sich ins Kupferne verdunkelt, ein Zeichen unbändigen Zorns.
Ain Cokkry wusste, dass Ban Tosska sich noch längst nicht wieder in der Gewalt hatte. „Ich kenne meine Aufgaben! Mir obliegt der Schutz des Schiffes! Und ich sage, wir greifen an und vernichten sie!"
Myk Dennso fuhr zu ihm herum. „Zum Schutz des Schiffes trägt auch bei, dass wir unsere Aufgabe so lange wie möglich unbemerkt wahrnehmen! Wenn wir jedes fremde Schiff zerstören, das wir aus dem Schutz des Dunkelfelds aufspüren, werden die feindlichen Einheiten bald merken, dass wir hier sind. Wie sollen wir dann noch unsere Aufgabe erfüllen?"
Ban Tosska schnaubte. „Was geht dich das überhaupt an? Du bist Technikoffizier! Optimiere lieber die Triebwerke, damit wir unter diesen widrigen Bedingungen optimal arbeiten können!"
„Die Entscheidung trifft immer noch der Kommandeur!", brüllte Ain Cokkry. „Oder besteht daran der geringste Zweifel?"
Der Feuerleitoffizier hob die schlanken Handlungsarme, ballte die Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder. Dann verschränkte er die jeweils zwei Daumen und acht dünnen Finger, bis es vernehmlich knirschte. „Die Entscheidung trifft der Kommandeur", wiederholte er. „Aber ich sage ..."
„Ich will nicht hören, was du sagst!" Ain Cokkry riss die vier Arme hoch. „Unsere Aufgabe ist es in erster Linie, die physikalische Beschaffenheit des Phänomens Charon-Wolke zu vermessen, damit später die Abwehrmaßnahmen darauf ausgerichtet werden können, und nicht, sämtliche Feinde zu vernichten, die dabei unseren Kurs kreuzen. Dafür sind andere Stellen zuständig. Wir müssen in der Ressourcen-Galaxis Milchstraße für den Rohstoffnachschub sorgen ... und in der Charon-Wolke haben wir wohl einen besonderen Glückstreffer gelandet."
Er bereute seine Worte, kaum dass er sie ausgesprochen hatte. Eigentlich war es ihm vorgegeben, diese Information noch eine Weile für sich behalten, doch er hatte das Gefühl, dass es der Disziplin an Bord förderlich sein konnte, der Besatzung eine neue, noch bedeutendere Aufgabe zu stellen.
Aber diese ständigen Undiszipliniertheiten brachten ihn in eine Lage, in der er sich einfach nicht behaupten konnte. Ganz gleich, was er tat, er würde falsch handeln, entweder gegen diese oder jene Direktive verstoßen.
Doch noch hatte der Beobachter nichts von diesem kleinen Zwischenfall mitbekommen.
Hoffte er zumindest und fragte sich, wie der Beobachter darauf reagieren würde, dass er gegen die Direktive des Progress-Wahrers verstoßen hatte.
Die beiden Kontrahenten sahen ihn fragend an.
Nun gab es kein Zurück mehr. „Die Dunklen Ermittler gehen davon aus, dass sich in der Wolke größere Vorräte Salkrit befinden könnten."
„Salkrit?" Von einem Augenblick zum anderen schien der Streit der beiden Besatzungsmitglieder vergessen. Ban Tosska wedelte so heftig mit seinen drei Stielaugen, dass sie sich ineinander zu verwickeln schienen. „Du meinst wirklich, wir könnten hier Salkrit finden? Das wäre natürlich ... außergewöhnlich."
Ain Cokkry seufzte leise. Die beiden dachten keineswegs daran, was das für den Prospektoren-Kreuzer bedeuten würde - und für ihn als Kommandeur. Aber er verstand sie.
Ginge es nicht um seinen Posten, hätte er genauso gedacht. Die Charnaz Bakr waren Pragmatiker, die kein anderes Leben kannten außerhalb ihrer Berufung: Prospektoren zu sein, TRAITOR hin oder her. Wahrscheinlich kannten die meisten seiner Untergebenen den Begriff nicht
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