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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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was er sich zu wünschen meinte. Eine Übersteigerung ins Absurde. Und der Tunnel war eigentlich nicht so sehr ein Fall von Reizentzug als einer von Reizüberflutung, wenn auch nur in Form sehr weniger Elemente: die Tunnelwände, die Lichter, die vor und hinter ihnen an der Decke entlangliefen, so weit das Auge reichte.
    Doch Swan machte das Ganze kein bisschen Spaß. Dieser spezielle Tag schien sogar der bislang schlimmste zu sein. Sie wurde langsamer, was er noch nie zuvor erlebt hatte, und zwar so sehr, dass er selbst seinen Schritt verlangsamen musste, damit er sie nicht abhängte.
    »Geht es dir gut?«, fragte er, nachdem er gewartet hatte, bis sie ihn einholte.
    »Nein. Mit geht es scheiße. Wahrscheinlich fängt es jetzt an. Spürst du etwas?«
    Tatsächlich fühlten Wahrams Hüften, Knie und Füße sich wund an. Aber seinen Fußknöcheln ging es gut, und wenn er erst einmal unterwegs war, ließen die Beschwerden nach. »Ich habe Schmerzen«, gab er zu.
    »Ich mache mir Sorgen wegen der letzten Sonneneruption, die wir gesehen haben. In dem Moment, in dem man die Dinger sieht, hat man schon Strahlung abbekommen, die früher ausgesandt wurde. Ich befürchte, dass wir gekocht worden sind. Mir geht’s dreckig.«
    »Ich habe bloß Muskelkater. Aber du hast mir beim Aufzug auch Deckung gegeben.«
    »Wahrscheinlich hat es uns verschieden stark erwischt. Ich hoffe es. Fragen wir die jungen Wilden, wie es ihnen geht.«
    Das taten sie beim nächsten Halt. Ihren Mienen nach hatten die Sonnenläufer sich schon Sorgen gemacht, weil Swan und Wahram so lange gebraucht hatten. Tron fragte: »Wie läuft’s?«
    »Ich fühle mich krank«, sagte Swan. »Wie geht es euch dreien?«
    Sie warfen einander Blicke zu. »Bestens«, sagte Tron.
    »Keine Übelkeit, kein Durchfall? Keine Kopf- oder Muskelschmerzen? Kein Haarausfall?«
    Die drei Sonnenläufer schauten einander achselzuckend an. Sie waren früher mit dem Aufzug heruntergefahren.
    »Ich habe keinen großen Appetit«, sagte Tron, »aber das Essen ist auch nicht besonders.«
    »Mein Arm tut mir immer noch weh«, räumte Nar ein.
    Swan warf ihnen wütende Blicke zu. Sie waren Sonnenläufer, jung und kräftig; sie taten, was sie sonst auch taten, sah man davon ab, dass sie diesmal unter der Erde waren und sich in entgegengesetzter Richtung bewegten. Dann blickte sie zu Wahram. »Was ist mit dir?«
    Wahram sagte: »Ich habe Schmerzen. Ich kann nicht viel schneller gehen, als ich es ohnehin schon tue, und auch nicht viel länger, sonst geht bei mir was kaputt.«
    Swan nickte. »Bei mir ist es genauso. Ich muss vielleicht sogar langsamer machen. Es geht mir schlecht. Deshalb habe ich überlegt, ob ihr drei nicht vorauseilen solltet, und wenn ihr die Abenddämmerung erreicht oder auf Menschen trefft, könnt ihr ihnen von uns erzählen.«
    Die Sonnenläufer nickten. »Woher wissen wir, dass wir da sind?«, fragte Tron.
    »Wenn ihr in zwei Wochen das nächste Mal eine Station erreicht, könnt ihr mit einem Aufzug hochfahren und nachsehen.«
    »Alles klar.« Tron schaute zu Tor und Nar, und alle drei nickten. »Wir gehen Hilfe holen.«
    »Genau. Aber geht nicht so schnell, dass ihr Schaden nehmt.«
    Ab diesem Zeitpunkt waren Wahram und Swan nur noch zu zweit unterwegs. Eine Stunde laufen, eine halbe Stunde sitzen, neunmal hintereinander; dann eine ausgedehnte Mahlzeit und schlafen. Eine Stunde war eine lange Zeit. Neun davon kamen ihnen mit ihren Pausen zusammengenommen vor wie zwei Wochen. Dann und wann pfiffen sie, aber Swan ging es nicht besonders gut, und Wahram pfiff nicht gerne alleine, wenn sie ihn nicht darum bat. Manchmal ließ sie sich ein wenig zurückfallen, um sich zu erleichtern: »Ich hab Durchfall«, sagte sie einmal. »Ich muss meinen Anzug ausleeren.« Später sagte sie bloß noch: »Einen Moment mal«, und dann, nach fünf oder zehn Minuten, schloss sie wieder zu ihm auf, und es ging weiter. Sie wirkte ausgetrocknet. Außerdem wurde sie launisch und attackierte Pauline oft heftig, und manchmal auch Wahram. Sie war streitlustig, widerborstig, unleidig. Immer wieder war Wahram über ihr unfaires Verhalten, über die sinnlose Missstimmung, die sie aus nichtigen Anlässen verbreitete, verärgert. Dann wanderte er wortlos einher und pfiff halblaut düstere kleine Bruchstücke von Melodien. In diesen Momenten bemühte er sich, an eine Lektion zu denken, die er im Hort gelernt hatte, nämlich dass man sich bei Personen mit Stimmungsschwankungen die Tiefpunkte einfach

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