232 - Höllisches Paradies
dachte mit Sorge an die Transportqualle. Aber das bionetische Lebewesen würde sich bestimmt zu wehren wissen – oder sich bei Gefahr zurückziehen. Trotzdem war es fraglich, ob die Qualle noch immer vor Ort war, wenn sie an den Landungspunkt zurückkehrten. Er konnte es nur hoffen.
Schließlich murmelte Jack: »Seitdem fühlen wir uns von allen Seiten bedroht. Vor allem, seit wir die Vorgeschichte der Insel kennen… nun ja, zumindest einen kleinen, aber wesentlichen Teil davon.«
»Was meinst du?«, fragte Matt.
»Wir haben hier im Schutzraum etwas gefunden: eine Art Logbuch aus dem Jahr des Kometeneinschlags. Es befand sich in einem Plastikbehälter, gut konserviert.«
Torm verschwand kurz und kehrte mit einer Kladde zurück. Vorsichtig überreichte er sie Matt. »Das solltest du lesen.«
»Der Besitzer, ein Russe namens Stanislav Prodenko, der auf der Insel notgelandet ist, hat es hier deponiert«, fügte Jack hinzu.
Matt blätterte einige der spröden Seiten durch; behutsam, um sie nicht zu zerbrechen. »Es ist auf Russisch geschrieben.«
Jack wies auf einen seiner Leute: »Wiktors Vorfahren stammen aus Litauen; er hat es für uns entziffert.« Er winkte den hageren Mann mit der runden Nickelbrille heran. »Komm, Towarisch, setz dich zu uns und lies uns die wichtigsten Passagen noch einmal vor.«
***
14. Dezember 2524, Ashmore-Inseln
Der Morgen dämmerte bereits, als Wiktor seine Lesung beendete. Matt nahm einen weiteren Schluck Kaffee und verzog wie immer das Gesicht. Das Gebräu schmeckte grauenvoll, aber es hielt wach.
»Prodenko schreibt, er würde zur Maschine gehen, um sie in die Luft zu jagen«, fasste Matt den letzten Eintrag des Logbuchs zusammen. »Er wollte die Bombe zünden, um den ganzen Virendreck zu verbrennen. Aber das scheint ihm nicht gelungen zu sein – sonst gäbe es kein Notsignal mehr.«
Jack nickte. »Zu diesem Schluss sind wir auch gekommen. Es würde die heftigen Mutationen auf der Insel erklären. Irgendwann sind die Behälter undicht geworden und haben Einfluss auf Fauna und Flora genommen.«
Ausnahmsweise mal keine Folge der Daa’muren-Kristalle und CF-Strahlung, dachte Matt. Für diese Kreaturen sind wir selbst zuständig.
»Prodenko hat etwas über eine ›Zombie-Droge‹ geschrieben«, sagte er laut. »Ichtylintrihydroäthylamid, kurz ITH genannt. Das Teufelszeug war eine kurzfristige Modeerscheinung meiner Zeit, bevor es wieder verboten wurde.« Er hielt inne, überlegte. »Das erinnert mich an die Gruh, auf die wir in Afrika gestoßen sind… eine Art lebende Tote, hochgradig ansteckend …« Er stockte erneut. Verdammt, das ergab Sinn! Bislang war er nicht auf diesen Trichter gekommen – aber konnte die Gruhseuche mit ITH in Zusammenhang gestanden haben? [5]
Einerlei – das würde er jetzt nicht mehr eruieren können.
»Gruh?«, fragte Jack Ibrahim.
Matt erklärte: »Sie ernährten sich von menschlichen Gehirnen, um Kraft und Intelligenz zu tanken. Nun ja, richtig intelligent waren sie danach auch nicht, aber immerhin fähig zu gezielten Angriffen.«
»Hirnfresser«, murmelte Jack und schüttelte den Kopf. »Diese Welt ist wirklich abnorm, nicht wahr?«
»Wenn das ITH für die Mutationen auf der Insel verantwortlich ist, sollten wir das Flugzeug finden und endlich in die Luft sprengen!«, ließ sich Torm vernehmen. »Nach Prodenkos Aufzeichnung liegt es irgendwo an der Küste, etwa zwei Stunden Fußmarsch entfernt.«
»Wirkt denn dieses Ichty… dieses ITH auch nach fünfhundert Jahren noch?«, wandte Zarah ein. Inzwischen wusste Matt, dass sie Jacks Adoptivtochter war; er hatte sich ihrer angenommen, als sie vor Neuseeland in die Meuterei auf der HOPE verwickelt worden war und mutig zu ihrem Scheitern beigetragen hatte.
»Schwer vorstellbar.« Matt schüttelte den Kopf. »Zumindest der Wirkstoff selbst dürfte seine Wirkung verloren haben. Was aber die infizierten Lebensformen angeht… die Gruh waren das beste Beispiel dafür, dass die Droge zumindest das Altern zuverlässig gestoppt hat, wenn auch zu einem schrecklichen Preis.«
»Ich denke auch, dass das ganze Teufelszeug inzwischen wirkungslos geworden ist«, sagte Jack. »Also besteht keine Notwendigkeit, die Maschine zu sprengen.«
Matt nickte. »Wir sollten lieber zusehen, von hier wegzukommen. Ich schlage vor, wir bauen ein Floß. Mit unserem… Transportmittel«, – ich muss sie noch über die Transportqualle aufklären, ging es ihm durch den Kopf –, »schleppen wir euch dann hinter uns
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