232 - Höllisches Paradies
Arme und Beine blutverschmiert. Wie tief die Verletzungen waren, war nicht auszumachen. Er vermutete, dass sich Aruula tot gestellt hatte, bis sie im Nest des Avtars gelandet war, um dann möglichst rasch aus der Reichweite seiner Brut zu kommen und auch das Muttertier auf Distanz zu halten. Die beiden jungen Avtars rissen ihre Mäuler auf und kreischten nach dem unerreichbaren Futter.
Matt brachte seine Waffe in Anschlag und visierte das erste Monsterküken durch den Sucher des Zielfernrohrs an. Doch dann ließ er den Lauf wieder sinken – aus demselben Grund, aus dem vermutlich auch Aruula die beiden Kreaturen nicht getötet hatte.
Was würde das Muttertier tun, wenn sie die Jungen erschossen? Vermutlich durchdrehen und seinen Zorn an Aruula auslassen.
Er besprach sich mit Jack. Sie kamen überein, dass es das Beste wäre, zuerst den Avtar zu töten. Dann konnte sich Aruula ungefährdet den Jungtieren stellen.
Und sie mussten die Barbarin auf sich aufmerksam machen, ohne die Aufmerksamkeit des Avtars zu erregen.
Matt griff zum Feldstecher und hielt ihn so, dass sich das Sonnenlicht in seinem Glas spiegelte. Ihm blieb nur eine Minute, denn die Schatten wurden länger und hatten bald die Hügelkuppe erreicht. Doch kurz bevor die Sonne hinter einer bewaldeten Landzunge verschwand, traf der Reflex Aruulas Gesicht. Sie reckte sich und spähte, und Matt hob kurz den Arm. Sie stieß das Schwert nach oben zum Zeichen, dass sie ihn bemerkt hatte.
Es folgten bange Minuten des Wartens, während die Dämmerung über das höllische Paradies hereinbrach. Wie Jack gesagt hatte, dauerte sie nur kurz. Das Licht schwand zusehends.
Kurz bevor es zu dunkel wurde, um noch einen gezielten Schuss anbringen zu können, tauchte der Avtar wieder auf. Er flatterte mit seinen ledrigen Schwingen vor der Felsnase, stand fast auf der Stelle und hackte mit seinem mächtigen Schnabel nach Aruula, die ihn verzweifelt mit dem Anderthalbhänder abwehrte.
Für Matt und Jack gab nur diese eine Chance. Die ersten Schüsse mussten sitzen.
»Ziel auf seinen Kopf!«, presste Matt hervor, während er bemüht war, durch das Zielfernrohr mehr zu erkennen als huschende Schemen vor grauem Fels. »Die Biester sind gepanzert; ihre Augen sind eine ihrer Schwachstellen!«
Fast zeitgleich drückten sie ab.
Der Avtar kreischte. Erst schien es, als wäre er unverletzt, doch dann kippte er nach hinten weg, überschlug sich mehrfach auf dem Weg nach unten, klatschte auf den felsigen Boden und verendete.
»Yeah!«, rief Matt begeistert und sprang auf. Nun konnte Aruula endlich… aber was tat sie da? Sie winkte hektisch und deutete in den Himmel – über ihm!
»Vorsicht!«, brüllte Jack Ibrahim im selben Moment.
Neben dem Kreischen der Jungtiere hörte Matt jetzt noch ein anderes Geräusch: das Flappen riesiger Schwingen!
Gedankenschnell warf er sich zu Boden und rollte sich auf den Rücken. Über ihm verdunkelte ein Schatten den Abendhimmel von Horizont zu Horizont. Jack schoss, aber die Kugeln prallten am Hornkörper des Avtars ab, der auf sie beide herabstieß.
Das Muttertier hatte also das Nest nicht alleine gehütet. Der Vater kam nach Hause – und er war verständlicher Weise stinkwütend. Seine vorgestreckten Krallen zielten auf Matts Brust.
Der reagierte im letzten Moment, rollte sich über die Hügelkuppe und die Böschung hinunter, das Gewehr dicht an sich gepresst. Der Stahl schrammte ihm über Oberarme und Kinn und hinterließ schmerzhafte Blessuren. Immer noch besser als die messerscharfen Hornkrallen, die ihn nur um Zentimeter verfehlten.
Auf dem Rücken kam Matt zum Stillstand, riss die Waffe hoch.
Der Avtar war ihm gefolgt! Knapp neben Matts Hals rammte der Schnabel in den Boden. Sand und Steine spritzten. Böse Augen musterten ihn, dann schnellte der Reptilienschädel erneut vor – und verschwand hinter eine Wolke von Blut.
Das Rattern von Jacks Automatikgewehr dröhnte zusammen mit dem röhrenden Schrei der sterbenden Bestie in Matts Ohren. Der Halbägypter leerte sein ganzes restliches Magazin in den Schädel des Monstervogels.
Der Avtar fiel wie ein Stein. Sein Kopf mit den leeren Augenhöhlen verfehlte Matt nur knapp, die Flügel legten sich wie eine schwere Gummidecke über ihn. Matthew arbeitete sich darunter hervor und ergriff die Hand, der ihm hoch half. »Danke, Jack! Das war knapp!« Der Mann aus der Vergangenheit atmete erst mal tief durch, bevor er sich mit dem Shirt das Gesicht säuberte. Dann ging sein Blick hoch
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