232 - Höllisches Paradies
meinen Hunger! Und damit mein Dilemma.
Als Kreatur ist das Leben erträglich. Doch mit der Sättigung kommt das Gewissen zurück, jedes verfluchte Mal.
Die Menschen dort oben – wissen sie es? Fordern sie mich heraus? Locken sie mich mit ihren köstlichen Hirnen, um mich wieder ins Elend zu stürzen?
Das macht mich wütend!
WÜTEND UND ZORNIG!
O ja, sie wissen, was sie tun. Sie wissen immer, was sie tun! Schließlich sind wir schon aufeinander getroffen. Ich hätte sie alle töten können, aber sie haben die Warnung nicht verstanden. Dass sie sich nicht ängstlich in einen versteckten Winkel ducken, ist pure Provokation!
Sie führen sich auf, als gehöre ihnen die Welt. Und schlimmer noch: Sie haben recht! Denn sie sind Menschen. Sie gehen auf zwei Beinen, lachen und lieben. Sie sind hoffnungsvoll und leidenschaftlich. Sie tragen den Kern des Guten in sich.
Nein! Sie sind Vieh. Sie haben gutes Fleisch, und der Inhalt ihrer Schädel wird mich sättigen. Ich werde sie töten. Ich muss sie töten! Nur so finde ich Ruhe.
***
Es waren nicht ausreichend Seile vorhanden. Also schälte man die Palmenstämme und flocht die feuchte Rinde zu weiteren Stricken. Es war eine anstrengende Tätigkeit, und die Sonne, die auf die Insel herunter brannte, machte es nicht leichter.
Doch endlich war es so weit.
Matthew Drax stand mit vor der Brust verschränkten Armen im weißen weichen Sand und begutachtete das Floß. Ein schönes, großes Floß, das nach Holz und Arbeit roch. Groß genug für zwanzig Personen.
»Gute Arbeit«, lobte Matt.
Jack lachte und zeigte weiße Zähne in seinem sonnenverbrannten Gesicht. »Das Paradies wartet. Wer würde da nicht fleißig sein? Aber wie willst du weiter vorgehen? Und wo habt ihr euer Boot versteckt?«
Matt grinste kurz. »Nun… Boot ist die falsche Bezeichnung. Lach nicht, aber wir sind mit einer Art Qualle hierher gekommen.«
Jack fiel die Kinnlade herab, und auch die anderen rückten interessiert näher. »Eine… Qualle?«
»Ein bionetisches Halblebewesen, um genau zu sein«, ergänzte Matt und hob die Schultern. »Während der Fahrt werde ich euch gern mehr darüber berichten. Momentan muss es genügen, wenn ich euch sage, dass ich die Qualle in einer verlassenen Forschungsstation gefunden habe. Sie wartet weiter draußen im Meer. Um näher zu kommen, ist das Wasser zu seicht.«
»Bionetisches Halblebewesen, aha«, machte Jack. »Nun gut… wir sind merkwürdige Wesen gewöhnt, warum also nicht auch mal eine Reisequalle?«
»Transportqualle«, verbesserte ihn Aruula.
Matt sah, dass auch den anderen Crewmitgliedern Fragen auf der Zunge lagen, und fuhr rasch fort: »Wir lassen das Floß zu Wasser. Ich werde zur Qualle hinausschwimmen und dieses Schleppseil an ihr befestigen. Ihr solltet in der Zwischenzeit eure wichtigsten Habseligkeiten holen. Und dann…«
»… geht’s auf große Fahrt!«, rief Zarah.
Matt betrachtete die ausgemergelten, aber glücklichen Gesichter der Menschen. Einmal mehr hoffte er, dass das Schicksal sie nicht im Stich ließ.
Jack trat näher an ihn heran. »Du weißt, was du tust?«, raunte er.
Matt nickte verbissen. Sein kantiges Gesicht strahlte Willenskraft aus.
Jack legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Was, wenn die Bestie dort draußen ist?«
»Die Qualle verfügt über einige Waffensysteme; ich muss nur an Bord gelangen…«
»Aber wenn –«
»Ich weiß, Jack! Ich weiß! Aber es ist unsere einzige Chance. Mach dir keinen Kopf. Es wird schon gut gehen!«
Matt band sich das Seil um die Hüften, zog sein Hemd aus und ging zur Wasserlinie. Wieder mal bereit, den Tag zu retten, dachte er ironisch.
Aruula trat neben ihn. »Ich weiß, wir haben schon darüber gesprochen«, sagte sie, »aber ich meine immer noch, dass ich mitkommen sollte.«
Er drehte sich zu ihr um und ergriff ihre Hände. »Es nutzt gar nichts, wenn wir uns beide in Gefahr bringen. Hier kommt es vor allem auf Schnelligkeit an; mit deinem Schwert oder einem Dolch kannst du rein gar nichts gegen die Kreatur ausrichten. Hoffen wir einfach, dass sie auch weiterhin nicht auftaucht, ja?«
Die Frau von den Dreizehn Inseln küsste ihn statt einer Antwort. Matt blinzelte ihr zu. Bis gleich, Geliebte!
Dann stapfte er los. Das Wasser reichte ihm anfangs bis zu den Knien, dann bis zur Hüfte. Erst nach etwa fünfzig Metern würde es tiefer werden, sodass er schwimmen musste.
Es war, wie erwartet, alles andere als einfach. Das Seil an seiner Hüfte sog sich mit Wasser
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