232 - Höllisches Paradies
voll und entwickelte ein nicht unerhebliches Eigengewicht. Unter Matts Füßen gab der Boden nach. Mit regelmäßigen Bewegungen schwamm er auf die Transportqualle zu. Seine Muskeln stemmten sich gegen das Gewicht des Seils, welches ihn in die Tiefe zu ziehen drohte. Er war kein Schwächling, aber hier geriet er an seine Grenzen.
Es war noch fast einhundert Meter von der Qualle entfernt, als vor ihm das Wasser zu brodeln anfing.
Matt hielt an und trat Wasser. Er keuchte und spuckte aus.
Was bedeutete das? Ein Strudel, dem er ausweichen musste? Eine gefährliche Strömung?
Oder war es…?
Bevor er es sah, wusste er, dass der worst case (der schlimmste Fall) eingetreten war.
Einen Steinwurf vor ihm teilte sich das Wasser, schob sich ein Schädel über die Oberfläche. Wie in Zeitlupe kam nach und nach der ganze Körper aus dem Meer, mindestens vier Meter hoch. Von der braunwarzigen Haut plätscherten Rinnsale zurück. Ein Maul, breit wie eine Tür, öffnete sich und enthüllte gelbe, spitze Zahnreihen. Zwei pfannengroße Klauen griffen nach Matt.
Am Strand schrien die Leute von der HOPE, rief Aruula seinen Namen. Verzweifelte Laute. Sie konnten ihm nicht helfen.
Matt legte den Kopf in den Nacken. Sein Blick traf sich mit dem der Bestie. Ihre Augen waren weit und hell, inmitten einer Fratze, deren Anblick allein schon Albträume verursachen konnte.
Für einen Moment war Matt wie erstarrt.
Dann rollte ein kehliges Knurren heran, und die Trägheit fiel von ihm ab.
Er warf sich herum, griff nach dem Seil, holte tief Luft und flüchtete unter Wasser. Sich am Seil entlang ziehend, gewann er rasch an Tempo. Als er Luft holen musste, blickte er zurück – und tatsächlich hatte sich der Abstand vergrößert.
Trotzdem war nichts gewonnen. Die Beste stampfte hinter ihm her und kam mit jedem Schritt gute drei Meter näher.
Weiter, schnell! Am Strand gestikulierten die Leute von der HOPE. Aruula stürmte ihm durch das seichte Wasser entgegen, ihr Schwert erhoben. Nein! Bleib dort! Bring dich nicht in Gefahr!
Obwohl er den Grund mit ausgestrecktem Arm berühren konnte, blieb Matt in der Horizontalen. Am Seil entlang kam er schneller voran als zu Fuß.
Hinter ihm röhrte die Bestie mit einer fast menschlichen Stimme. Sie erhob sich zur vollen Größe.
Die Menschen am Strand schrien panisch, doch Jack Ibrahim handelte. Er hatte sein Automatikgewehr geholt, legte an und schoss.
Das war riskant, denn Aruula befand sich in der Schusslinie, aber bei der Größe der Kreatur konnte er hoch genug zielen. Die Kugeln pfiffen über ihren Kopf hinweg.
Es klatschte, als sie in Brust und Hals der Bestie klatschten – und keine Wirkung zeigten! Die Kreatur ließ sich von einfachen Kugeln nicht aufhalten und kam mit Riesenschritten näher.
Matt beobachtete nicht weiter, sondern zog sich wie ein Roboter am Seil entlang. Längst spürte er seine Finger nicht mehr; dafür schmerzten seine Lungen umso mehr. Dann schrammte er mit den Knien über den Grund, sprang auf, rannte weiter – und stürzte über das Seil, das sich um seine Füße wickelte. Er fiel der Länge nach hin. Als er sich auf den Rücken drehte, erwartete er, das Riesenmaul über sich zu sehen. Stattdessen tauchte Aruulas Gesicht in seinem Blickfeld auf.
»Beruhige dich!«, sagte sie und hockte sich neben ihn. »Du hast es geschafft.«
Er spuckte Wasser. »Die Bestie…?«
»Ist weg.« Sie drückte ihn an sich. »Ich weiß nicht warum, aber sie ist plötzlich umgekehrt. Obwohl sie dich fast schon erreicht hatte.«
»Das war knapp, old boy! Aber ich habe dem Vieh ordentlich eingeheizt!« Jack watete heran und tätschelte sein Schnellfeuergewehr.
»Ich glaube nicht, dass es wegen der Kugeln aufgegeben hat«, sagte Aruula. »Es sah nicht so aus, als hätten die ihm etwas ausgemacht.«
»Wie auch immer«, grunzte Matt und spuckte weiteres Wasser aus. »Ich bin froh, noch unter den Lebenden zu weilen. Lasst uns endlich ans Ufer gehen!«
Von allen Seiten schlug man ihm auf die Schultern. Er hatte sein Leben für die Gemeinschaft riskiert, auch wenn er nicht bis zur Qualle gekommen war.
Matt schüttelte das Wasser aus seinem Blondschopf. »Ich habe ja schon viele Mutationen gesehen, aber so etwas ist mir noch nie untergekommen. Es sieht aus wie eine Chimäre…«
Aruula blickte fragend.
»Eine Mischung aus Mensch und Tier…«, erklärte Matt. »Oder besser: mehreren Tierarten. Das Ding hat eine humanoide Gestalt, ein Maul wie ein Raubtier und scheint problemlos
Weitere Kostenlose Bücher