232 - Höllisches Paradies
die ihnen folgten.
Erkannte die Kreatur die Falle? Wusste sie, welche explosive Fracht die Hülle aus Aluminium und Titan beherbergte?
Matt winkte Aruula, Jack und Torm, sich zu beeilen. »In den Dschungel!«, schrie er ihnen zu, als sie in etwa zehn Metern Entfernung an ihm vorbei liefen, in Richtung der Waldgrenze, wo sie Deckung finden würden.
Dann wandte er sich wieder der Bestie zu. Komm und hol mich!, dachte er grimmig. Weit hinter sich hörte er Stimmen. Die restliche Crew von der HOPE war nicht gleich im Dickicht untergetaucht, sondern stand vor den ersten Bäumen und half dabei, die Aufmerksamkeit der Bestie in diese Richtung zu lenken.
Doch es ging schief.
Die Kreatur kam nicht. Noch immer verharrte sie am Strand, glotzte nur misstrauisch herüber.
Verdammt!
Matt tat ein paar Schritte auf sie zu und feuerte mit dem Colt in die Luft. »Hier bin ich!«, brüllte er. »Erkennst du mich? Ich bin dir gestern entkommen; jetzt kannst du nachholen, was du versäumt hast!«
Er feuerte eine zweite Kugel auf das bizarr mutierte Wesen ab, doch die Entfernung war zu groß, um selbst die riesige Gestalt zu treffen. Und immer noch blieb sie, wo sie war.
Doch da geschah das gänzlich Unerwartete.
Eine Gestalt trat zwischen den Felsen hervor, die sich zwischen dem Wrack und dem Strand befanden, eine junge Frau: Liarys! Sie musste unbemerkt zurückgeblieben sein – und Matt ahnte, was sie vorhatte. Seine Nackenhaare stellten sich auf. »Nein!«, ächzte er.
Liarys löste sich von der kleinen Felsgruppe und ging gemessenen Schrittes über den Strand in Richtung des Untiers. Äußerlich schien sie vollkommen ruhig zu sein, doch Matt ahnte, wie es in ihr aussah.
»Komm her!«, brüllte er. »Du musst uns nichts beweisen, Liarys!«
Vom Waldrand her klangen erschreckte Rufe herüber; auch dort hatte man jetzt erkannt, was vorging. Dass sich die junge Frau offensichtlich opfern wollte, um ihren Fehler von gestern wieder gutzumachen.
Was für ein Wahnsinn!, dachte Matt. Sekundenlang kämpfte er gegen den Impuls an, Liarys einfach hinterher zu rennen. Doch dann musste er einsehen, dass er damit nicht nur sich selbst, sondern den ganzen Plan aufgeben würde. Sie konnten dem Monster nicht entkommen – und anschließend wäre niemand mehr da, um den Sprengstoff rechtzeitig zur Explosion zu bringen.
Liarys drehte sich nicht einmal um. Weniger als fünf Meter vor dem Untier blieb sie stehen. Ihre blonden Haare wehten im Wind. Das Kleid umspielte ihre schmalen braunen Beine. Sie verschränkte die Hände hinter dem Rücken.
Mädchen und Bestie standen sich gegenüber.
Regungslos.
Schweigend.
Und als die Bestie in die Hocke ging, sich auf ihre Klauen stützte und die junge Frau musterte, begriff Matt Drax.
Liarys warf sich nicht einfach der Bestie zum Fraß vor. Sie versuchte mit ihr in Kontakt zu treten! Sie vielleicht davon zu überzeugen, dass die Menschen nicht ihre Feinde waren.
So wahnwitzig und aussichtslos das auch scheinen mochte, Matt war überwältigt von ihrem Mut. Aber er hatte in die Augen der Kreatur geblickt. Er wusste, dass ihr Versuch zum Scheitern verurteilt war. Die Bestie mochte intelligent sein, aber es war eine böse Intelligenz, die sie beherrschte!
Nun hob das grauenvolle Geschöpf die rechte Pranke. Eine handlange Kralle reckte sich gegen Liarys’ Gesicht. Ein kleiner Stoß nur, und sie würde wie ein Dolch zwischen ihren Augen direkt ins Gehirn dringen.
Das Mädchen stand reglos, wie versteinert. Es starrte in die hässliche Fratze, als wolle es das Ungeheuer allein mit der Kraft seines Willens dazu bewegen, sie und die anderen von der HOPE ziehen zu lassen.
Als sich Matt kurz umblickte, sah er, dass Jack und Aruula Anstalten machten, umzukehren. Er bedeutete ihnen, dort zu bleiben, und tatsächlich blieben sie nach ein paar Schritten wieder stehen. Matt wandte sich erneut der unglaublichen Szene am Strand zu.
Konnte es denn sein, dass es Liarys tatsächlich gelang, die Bestie zu zähmen? Die beiden schienen sich in einer eigenartigen Trance zu befinden – als würde etwas sie verbinden.
Trotzdem erwartete Matt jede Sekunde das Unglück, und hoffte doch, dass er sich irrte.
Die Bestie ließ die Klaue sinken, richtete sich ganz langsam auf. Mit hängendem Kopf schaute sie auf das Mädchen herab. Schien einen Kampf mit sich selbst auszufechten.
Und dann schlug sie zu, so plötzlich und ansatzlos, dass Matt ein Schrei über die Lippen fuhr.
Die Pranke traf Liarys von oben herab und
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