232 - Höllisches Paradies
nahm er sie herunter, legte sie in seinen Schoß. »Eine Tokarev TT33?«
Dr. Artjenko riss die Augen auf und tastete nach seiner Brille, die irgendwo zwischen seinen Beinen auf dem Sitz lag. Sein Blick hatte etwas Tragisches. Seine Mundwinkel zitterten. »Bitte, Kapitän, bitte. Das ist die einzige Möglichkeit für meine Familie. Sie und ich, jeder Fachmann weiß, dass die Amerikaner kaum etwas gegen den Kometen ausrichten können. Wir alle wissen, das Armageddon vor der Tür steht. Aber meine Familie wird überleben. Meine Frau, meine Söhne…?!«
»Ist es der Abzug oder der Sicherungshebel?«, flüsterte Stanislav.
»Wir sterben schmerzfrei, Kapitän Prodenko, merken nichts davon! Wir nehmen den ganzen Dreck der Menschheit mit ins ewige Feuer.«
»Sehr prosaisch, mein Lieber. Also, der Abzug?«
Dr. Artjenko kreischte auf. Seine Hände griffen nach der Waffe. »Gib mir das Scheißding! Gib es her! Ich will…!« Stanislav schlug ihn hart unter das Kinn. Der Doktor sackte zusammen. Blut lief aus seinem Mundwinkel.
Die Be-300 bäumte sich auf, als ahne sie, was sich in ihrem Bauch abspielte. Stanislav brachte die Maschine wieder auf Kurs. Der Mann neben ihm war ein Häuflein Elend, zusammengesackt, mit bebenden Schultern.
»Warum eine Waffenattrappe als Zünder?«, fragte Stanislav, nachdem sich der Doktor etwas beruhigt hatte. Dr. Artjenko brauchte eine Weile, dann antwortete er. »Sie war eigentlich für etwas anderes gedacht. Eines dieser perversen Dinger, die die Welt schlechter machen. Ein Agentenspielzeug. Man kann auch mit ihr schießen – wenn sie geladen ist. Man darf sie nur nicht sichern.«
Sehr vorsichtig legte Stanislav die Tokarev neben seinen Sitz. »Ist sie geladen?«
»Es sind drei Schuss im Magazin.«
»In Ordnung, Doktor. Wenn Sie sich in den nächsten Stunden bewegen, werde ich sie töten. Keine Spielereien mehr. Wenn es sein muss, strullen Sie in die Hose, aber Sie bleiben sitzen. Ist das klar?«, und ohne eine Antwort abzuwarten: »Ich werde jetzt unseren Arsch retten.«
»Es ist doch sowieso alles zu spät.«
»Das ist es nie, Doktor!«, schnappte Stanislav. Schweiß lief ihm über den Körper, seine Beine waren verkrampft, seine Handflächen schienen zu glühen.
Wieder einmal war er verraten worden. Von Tomarek, der früher im Generalsstab gesessen hatte und nun ein hohes Tier bei EMERCON war. Wusste auch Schura davon? Konnte er sogar einem Freund nicht mehr trauen? Nein, Stanislav Prodenko war kein Idealist. Aber ein guter Pilot.
»Ich will weg hier, so weit wie möglich«, zischte er. »Australien? Ja! Mit dem Kerosin in den Löschtanks müssten wir es schaffen. Und Sie, Doktor, werden mich dabei unterstützen. Wir entfernen uns möglichst weit vom Einschlagsort, und dort landen wir die Maschine und bringen uns in Sicherheit, bevor wir diesen Dreck im Frachtraum in die Luft jagen.« Und nach einer kurzen Pause: »Keine Sorge, mit langen Flügen kenne ich mich aus!«
***
13. Dezember 2524, Ashmore-Inseln
»Das sind die Ashmore-Inseln…«, murmelte Matt und studierte die Hinweise auf der Steuerkonsole. »Das Signal ist jetzt so präsent, dass es nur von dort kommen kann.«
»Was weißt du über diese Inseln?«, fragte Aruula.
»Nicht viel. Es sind drei Eilande vor der Nordküste Australiens. Rundherum gibt es ein flaches Riff. Wir werden dem Signal folgen und dort, wo es am stärksten ist, anlanden.« Matt grinste. »Wenn unsere Qualle nicht bis zum Ufer kommt, werden wir schwimmen müssen.«
(Ashmore-Inseln: ca. 390 km nördlich der australischen Nordwestküste und 140 km südlich des indonesischen Teils von Timor, seit 1934 unter australischer Kontrolle.)
Aruula nickte erfreut. Ihr war heiß, die künstliche Luft war unangenehm trocken. Ein erfrischendes Bad wäre jetzt genau richtig.
Auch Matt freute sich auf frische Luft. Der Aufenthalt in der Qualle schien ihm unterbewusst aufs Gemüt zu schlagen. In den letzten Tagen plagten ihn zunehmend böse Träume, an die er sich aber nach dem Erwachen kaum mehr erinnern konnte. Nur dass der Streiter darin vorkam, jene galaktische Macht, die vom Finder gerufen worden und nun auf dem Weg zur Erde war – falls das Signal des Finders durch dessen Vernichtung nicht rechtzeitig beendet worden war.
Am späten Nachmittag erreichten sie das Riff. Matt musste die Qualle anhalten; das Meer war hier zu seicht, und die scharfkantigen Korallen hätten die Quallenhaut beschädigen können. Das halb organische Lebewesen fuhr
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