232 - Höllisches Paradies
würden hoffentlich die Gefahren nicht so groß sein wie jene, die sie bei ihrer Suche nach Gilam’esh’gad überstanden hatten. Um sich eines Gegners zu erwehren, hatte Aruula die Haut der Qualle mit ihrem Schwert durchstoßen. Die darauf folgende Panik ließ sie noch jetzt schaudern. Es war, Wudan sei Dank, nichts passiert, und die Wunde war inzwischen vernarbt.
»Wie lange mag das Signal schon senden? Wochen? Jahre?« Matt kratzte sich den Hinterkopf und tastete auf der Steuerkonsole herum.
Die junge Kriegerin musterte ihren Geliebten. Er kam aus der Vergangenheit, war über fünfhundert Jahre alt – und dennoch ein ganz normaler Mann. Sie war glücklich, dass er wieder an ihrer Seite war. Sie hatten sich nach langer Zeit im Reich des Kaisers de Rozier gefunden. Nun kamen sie aus den Tiefen von Gilam’esh’gad, der vergessenen Stadt der Hydriten, die Maddrax in eine neue Zukunft geführt hatte. [1]
»Das Signal wird stärker. Ich glaube, ich kann es orten«, meinte er. »Mal sehen, wo genau es herkommt…«
***
8. Februar 2012, über Russland, Südkurs
Stanislav stockte der Atem.
Dreiunddreißig Schuss in einer Minute. Er kann mich und das Flugzeug zerlöchern wie einen Käse, dachte er. Stress und Bedrohung. Nun war er wieder Offizier. War wieder in Afghanistan. Der eifrige Jastrschembskij hatte vor zwölf Jahren mit russischen Bombenangriffen gegen einzelne Regionen Afghanistans gedroht, in denen Trainingslager für Terroristen unterhalten würden. Und Stanislav war los geflogen, um für Frieden zu sorgen. Um Haaresbreite hätte er den Flug nicht überlebt. Aber das war eine andere Geschichte. Eine von vielen anderen Geschichten.
»Sie wollen mich ernsthaft erschießen? Warum?«, zwang er sich zur Ruhe.
»Wir werden in dieser Höhe und auf diesem Kurs weiterfliegen«, flüsterte Dr. Artjenko.
»Auf welchem gottverdammten Kurs?«
»Immer geradeaus.«
»Wie lange?«
»Bis es vorbei ist!«
»Sie sind sich bewusst, was in einem Flugzeug geschieht, wenn Sie hier rumballern?«
»Wir werden beide sterben.«
»Ja! Das werden wir, Doktor.«
»Kein Problem…« Und nun lächelte er tatsächlich, dieser kleine Mann mit den schmalen Augen. »Wie man sagt, sind Sie ein Mann, der nicht immer seinen Befehlen folgt, ist es so, Kapitän?«
»Erklären Sie mir endlich, was hier los ist!«, stieß Stanislav hervor. Ja, die alte Geschichte! Es gibt eine Möglichkeit, eine schnelle Bewegung, die Waffe greifen…
»Haben Sie oder habe ich die Waffe?«, fuhr Dr. Artjenko fort. »Sollten Sie also die Fragen stellen? Nein! Ihre Aufgabe besteht darin, die Maschine zu fliegen. Vielleicht noch eine halbe Stunde. Dann ist es ausgestanden.« Dr. Artjenko ignorierte die Träne auf seiner Wange, die nun auf seinen Unterarm tropfte. »Haben Sie Kinder, Kapitän?«
»Ja, eine Tochter«, sagte Stanislav bitter. Und noch eine alte Geschichte!
Dr. Artjenko wedelte mit der Waffe. »Meine Kinder werden wissen, dass ich ein Held bin. So werden sie sich an mich erinnern.«
Stanislav wusste, dass es immer noch eine Chance gab. Das hatte er gelernt – in Afghanistan. Nur das. Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist.
Er schnellte vor. Schlug die Waffe nach oben, die gegen die Cockpitdecke knallte und anschließend zu Boden fiel, zwischen ihren Füßen und den Armaturen. Er krallte die Finger seiner rechten Hand in den Fliegerstoff des kleinen Mannes. Mit der Linken befreite er sich von den Gurten, die ihm die Rippen zusammenpressten.
Dr. Artjenko rutschte die Brille von der Nase, die Augen schreckgeweitet. Die Lippen bebten, Schweiß auf der Stirn, die wenigen Haare standen wirr vom Kopf, der Atem stank nach Panik.
Der Soldat in Stanislav brüllte: Töte diesen Kerl! Seine Vernunft blockte diesen Impuls ab. »Die Sache ist gelaufen, Doktor. Was immer Sie vorhatten, es wird nicht mehr gelingen. Manchmal hilft es, wenn man seine Seele erleichtert…« Er gab dem Mann eine schallende Ohrfeige.
Dr. Artjenko brach zusammen. Und nun war es nicht eine einzige Träne, sondern ein Strom, der sich aus seinen Augen ergoss. »Wir sterben doch sowieso alle…«, schluchzte er. »Ich habe sie gewarnt. Ich habe denen gesagt, dass ich kein Agent, sondern ein Wissenschaftler bin. Aber sie haben niemanden gefunden, der diesen Job machen wollte.«
»Sie?«
»Putins alter FSB!«
»Der Geheimdienst«, bestätigte Stanislav.
»Aber diesmal will der FSB das Beste für die Menschheit«, brach es aus Dr. Artjenko hervor. »Wir
Weitere Kostenlose Bücher