232 - Höllisches Paradies
dasselbe Schicksal erlitten hatte wie die Flugstaffel von Commander Matthew Drax: Durch den marsianischen Zeitstrahl war die USS RANGER, von der man damals annahm, dass sie während der Glaubenskriege einem terroristischen Anschlag zum Opfer gefallen war, in die Zukunft geschleudert worden, ins Jahr 2470. [2]
»Ich erinnere mich…«, sagte Aruula. Wie hätte sie es vergessen können? Schließlich war ihr an Bord der USS HOPE durch eine Begegnung schmerzlich klar geworden, dass Maddrax vorerst – genauer: für fünfzig Jahre – nicht altern würde. Obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch acht Winter jünger gewesen war als er, verkürzte sich dieser Vorsprung beständig.
Und nach diesen fünfzig Jahren würde sich Wudan die gestohlene Zeit innerhalb eines Tages zurückholen. Sie hatten es an Bord des Schiffes erlebt, als das letzte Mitglied der alten Besatzung vor ihren Augen verfiel. Würde auch Maddrax dieses Schicksal ereilen – oder hatte er weitere Jahre gewonnen, nachdem er den Zeitstrahl nun schon zum dritten Mal durchquert hatte?
Sie selbst dagegen würde ganz normal altern. Es sei denn, auch sie fand noch die Gelegenheit, diesen Strahl zu durchqueren…
»Hatte Quart’ol in Gilam’esh’gad nicht berichtet, er habe das Schiff vor Neuseeland gesichtet?«, riss Maddrax’ Stimme sie aus ihren Gedanken.
»Aber wo ist die Besatzung?«, fragte Aruula. »Es waren viele tausend Menschen, und in dieses Boot hier passen höchstens dreißig.«
Matt hockte sich hin. Seine Finger tasteten über die Steuerbordwand. »Irgendetwas hat den Rumpf zerfetzt. Das war kein Riff. Schau – hier fehlt ein Stück aus der Reling! Als wäre es herausgerissen worden.«
»Und hier…«, Aruula winkte ihn heran, »… ist Blut!«
Matt nickte ernst. »Getrocknetes Blut. Und hier ist die Farbe abgeätzt. Als hätte jemand einen Eimer Säure darüber gegossen.« Matt steckte die Schwimmweste zurück in den Kasten. Er schnupperte. »Riechst du das auch?«
Aruula witterte. »Es stinkt faulig.«
»Warte hier und halte die Augen offen«, sagte Matt. »Ich gehe nachschauen, ob unter Deck etwas zu finden ist.«
»Maddrax sollte vorsichtig sein«, sagte sie. Matt grinste. Wenn Aruula in höchster Anspannung war, fiel sie zeitweilig noch immer in diese alte Ansprache zurück.
»Ich beeile mich.« Er blieb kurz stehen und zwinkerte. »Und ja, ich werde vorsichtig sein…«
Widerwillig ließ Aruula ihn ziehen. Sie mochte es nicht, wenn er allein ins Ungewisse ging, aber er hatte recht: Was immer das Boot havariert hatte, es konnte wieder auftauchen. Jemand musste Wache halten – und sie besaß nun mal die feineren Sinne.
Matt blinzelte ins Dämmerlicht des Bootsinneren. Keine Menschen hier, keine Leichen, nichts. Seine inneren Sensoren liefen auf Hochtouren. Seine Instinkte erwachten. Er lauschte in die Dunkelheit, suchte einen Lichtschalter. Betätigte ihn. Nichts. Er atmete ruhig, während sich seine Augen an das Zwielicht gewöhnten.
Er durchsuchte Spinde und Schubladen, fand aber nichts von Bedeutung. Auch waren keine Werkzeuge, Lebensmittel und Bordinstrumente zu finden. Die Mannschaft hatte das Schiff verlassen und alles Nützliche mitgenommen. Aber wann? Und wo war der Sender? Ohne die Hilfe der Qualle konnte er ihn nicht näher lokalisieren.
Gerade wollte er seine Durchsuchung beenden, als er von draußen Aruulas Schrei hörte – und ein Geräusch wie das Schlagen eines großen Ledertuchs, gefolgt von einem Krächzen. Laute, die ihm seltsam bekannt vorkamen.
Er stürzte ins Freie. Schloss vor der Sonne für einen Moment geblendet die Augen. Zog seinen Colt Python.
»Aruula!«, rief er. »Aruula!«
Er zwang sich zur Ruhe und hielt die Waffe im Anschlag. Mit hastigen Blicken suchte er das Deck ab.
Es war leer. Aruula war verschwunden.
***
8. Februar 2012, über dem Pazifischen Ozean
Bis jetzt war der Flug ruhig verlaufen. Dr. Artjenko schwieg. Es schien, als habe der kleine Mann mit seinem Leben abgeschlossen. Er wirkte deprimiert. Ein Mensch, dessen großer Plan nicht aufgegangen war.
Es muss ihn viel Kraft gekostet haben, sich für seine Familie zu opfern, dachte Stanislav Prodenko. Irgendwie bewunderte er den Mann neben sich. Zwar hätte Artjenko ihn mit in den Tod genommen, aber was zählte ein einzelner Mensch, wenn es um den Erhalt der Menschheit ging?
Nach drei Stunden zermürbendem Flug, während denen Stanislav von trüben Gedanken gemartert wurde, bäumte sich Dr. Artjenko noch einmal auf. Er
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