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232 - Höllisches Paradies

232 - Höllisches Paradies

Titel: 232 - Höllisches Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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schnellte hoch und versuchte über Stanislav hinweg nach der Waffe zu greifen.
    Stanislav gewann den kurzen, aber heftigen Zweikampf. Er fixierte die Steuerung, fesselte den Wissenschaftler und entsorgte ihn vorübergehend im Laderaum. Die Waffe verstaute er unter dem Pilotensitz.
    Der Doktor bettelte und jammerte, bis er Stanislav gehörig auf die Nerven ging. Er ließ den kleinen Mann schwören, sich ab sofort fügsam zu betragen, und befreite ihn von den Fesseln. Dr. Artjenko wirkte wie eine seelenlose Gliederpuppe. Apathisch saß er jetzt neben Stanislav, kümmerte sich allerdings nach wie vor nicht um seine Aufgaben als Copilot.
    Sie näherten sich der Nordwestküste Australiens, als weit hinter ihnen eine Glutwolke in den Himmel stieg und das Licht des Tages überstrahlte.
    Der Komet!
    Er war auf der Erde eingeschlagen! Der ISS und den internationalen Atomraketen war es also nicht gelungen, die Katastrophe aufzuhalten.
    Stanislav entfuhr ein kehliger Laut, der Doktor neben ihm schluchzte auf. War dies das Ende der Welt? Stanislav hatte schon Atomexplosionen gesehen, aber dieser Glutball war ungleich größer als alles, was er sich in seinen düstersten Träumen vorgestellt hatte. Ein Aufprall, der die Erde aus ihrem Gleichgewicht bringen konnte.
    Würde es der Menschheit nun so ergehen wie einst den Sauriern? Würde sie aussterben? Erst jetzt wurde Prodenko bewusst, dass eine Explosion dieser Größenordnung, die man noch über so viele tausend Kilometer sehen konnte, gewiss seine Familie, seine Freunde, alle getötet hatte, die er einst gekannt und geliebt hatte. Seine Psyche wehrte sich gegen diese Einsicht. Noch.
    Dr. Artjenkos Brillengläser beschlugen. Schweiß lief dem kleinen Mann über das Gesicht. »Sie sind alle tot…«, bestätigte er Stanislavs düstere Gedanken. »Sie sind alle tot!«
    Stanislavs Körper war von Gänsehaut überzogen. Welche Worte sollten noch gesagt werden, welche Gedanken noch gedacht? Welche Philosophie wies jetzt noch mit ethisch erhobenem Zeigefinger auf den Intellekt? Was bedeuteten Kultur und Zeitgeschichte, wenn es nur noch um das Überleben ging? Warum Trauer über den Verlust der Bibliothek von Alexandria, wenn eine ganze Rasse ausgelöscht wurde? Wie erbärmlich wirkten alle je erlebten Katastrophen gehen diesen Kometeneinschlag?
    So starrten die beiden Männer durch die Scheibe auf die sich nähernde Küstenlinie und waren wie versteinert. Innerlich gestorben.
    Bis die Druckwelle sie traf.
    Wie eine Faust in den Magen, eine unsichtbare Wand, die die Be-300 von hinten rammte und die Maschine wie ein Spielzeug hin und her schleuderte.
    Die Berijew bäumte sich auf – und schmierte ab. Die Maschinen heulten. Stanislav riss das Steuerkreuz an seinen Körper. Es bebte in seinen Händen. Mit heulenden Motoren stürzte das Flugzeug in die Tiefe. Dr. Artjenko schrie auf. Er klammert sich fest. Erbarmungslos rotierend zeigte der Höhenmesser die Fußhöhe an, immer weniger, immer niedriger.
    Sie durchstießen die Wolkendecke, fielen Richtung Erdboden. Der Himmel glühte feuerrot. Nein, es war nicht der Himmel, lieber Gott, es war nicht der Himmel! Es waren Städte, die brannten, waren Wälder, die loderten.
    Stanislav schrie auf, seine Muskeln spannten sich. »Komm schon, altes Mädchen!« Er schaltete den Nachbrenner ein. »Sei lieb, mein Mädchen. Nun komm schon…« Ein Ruck ging durch die Maschine. Eine Turbine heulte auf.
    Die Hülle knirschte, im Laderaum krachte etwas, die Maschine schüttelte sich und die Schnauze bewegte sich, wie der künstliche Horizont zeigte, wieder in die Höhe. »Yippieeh!«, schrie Stanislav und vergaß für einen kurzen Moment die Katastrophe hinter ihnen. Im Cockpit breitete sich ein unangenehmer Geruch aus. Dr. Artjenko hatte sich beschmutzt. Ein schöner Copilot, dachte Stanislav grimmig.
    Der erste Motor fiel aus, als die Be-300 wieder horizontal, aber sehr tief flog. Der zweite Motor verabschiedete sich in einer Wand aus schwarzem Rauch. Ein blaues Band erstreckte sich unter ihnen. Weiter hinten eine Inselgruppe, der Küste vorgelagert. Hier würden sie runtergehen müssen.
    Kein Problem!, dachte Stanislav zähneknirschend. Notfalls würde er sein Schätzchen auch ohne Motoren landen. Was die wenigsten Menschen wussten: Selbst die größten und schwersten Flugzeuge konnten durch ihre physikalischen Eigenschaften auch ohne Motorkraft, Segelfliegern gleich, bis zu zwanzig Minuten auf dem Wind liegen. Zeit, die man nutzen konnte, um

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