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233 - Enklave der Träumer

233 - Enklave der Träumer

Titel: 233 - Enklave der Träumer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern
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nebeneinander und betrachteten das Treiben auf der Lichtung. Drei Männer in Lendenschurzen spielten auf Trommeln. Zwei weitere begleiteten sie mit langen Knochenflöten. Sie saßen gut zwanzig Meter entfernt mit dem Rücken zu den Ankömmlingen.
    Die Berauschten wiegten sich im Takt der Trommeln. Die wenigen, die noch stehen konnten, tanzten zu den Klängen. Fünf von ihnen murmelten dabei mit verdrehten Augen vor sich hin, schrien unvermittelt den Namen »Straitar« und tanzten weiter.
    »Besessen«, flüsterte Joon schaudernd. »Sie sind alle besessen. Der Dämon hat ihren Verstand verschlungen.«
    »Wer ist das?« Nik wies auf eine Frau, die gut dreißig Meter entfernt von ihnen tanzte. Sie war in ein weißes Kleid gehüllt. Etwas an ihr erweckte Naos Aufmerksamkeit, ohne dass er gleich bestimmen konnte, was es war.
    »Vielleicht das Opfer?«, mutmaßte Joon zitternd.
    »Nein.« Nao wies auf drei Holzkäfige, die auf der anderen Seite der Lichtung standen. »Die Opfer sind vermutlich da drin.« Wieder sah er zu der Frau. Sie war wunderschön.
    Wie kann ich das wissen?, schalt er sich selbst. Sie ist ganz verhüllt… Aber ich bin mir sicher…
    »Du hast recht.« Nik war sofort Feuer und Flamme. »Wir sollten uns das unbedingt aus der Nähe ansehen.«
    Joon stöhnte gequält auf.
    Nao ließ sich davon nicht beeindrucken und kroch zurück in die Büsche. Sie nahmen einen weiten Umweg und krochen hinüber zur anderen Seite der Lichtung. Einmal mussten sie Joon den Mund zuhalten, weil er mit dem Fuß in eine Ameisenstraße getreten war. Sie zogen ihn weiter und schlugen die großen Krabbeltiere von ihm herunter. Joon fluchte.
    »Sei ruhig!«, zischte Nao. Sie lauschten, doch außer den üblichen Geräuschen war nichts zu hören.
    »Weiter«, meinte Nao nur. Er hatte das Gefühl, Herak sehr nahe zu sein.
    Ich bin auch IHM nahe. Der Gedanke erschreckte ihn. Und erfüllte ihn doch mit Freude. Ich kann IHN spüren. Sein Geist ist hier. ER ruft mich. ER braucht mich… In Gedanken sah Nao die Frau im weißen Kleid. Ihm war, als würde sie nur für ihn tanzen. Sie rief ihn. Sie würde ihn erleuchten…
    »Nao?« Nik sah ihn misstrauisch an. »Du sabberst.«
    Nao schloss den Mund. Sie waren nun ganz nah am Käfig. »Okee. Ihr bleibt hier. Ich sehe nach, ob Herak in einem der Käfige ist…«
    »Das ist zu gefährlich«, wimmerte Joon. »Wenn sie dich erwischen…«
    »Das wird nicht passieren«, erklärte er im Brustton der Überzeugung. »Und wenn doch, dann flieht ihr allein.«
    Bevor die anderen noch etwas sagen konnten, robbte er im Schatten der Büsche so weit vor wie möglich. Die Käfige hatten hohe Eisenstäbe, durch die man gut hindurch sehen konnte.
    Der erste Käfig war leer. In den beiden anderen befand sich je ein Mann. Nao erkannte sie beide. Herak und Kiras! Was machte Kiras hier?
    Er beobachtete die beiden genauer. Kiras trug ein blaues Auge und sah auch sonst sehr mitgenommen aus. Herak hatte Reste von getrocknetem Blut in den Haaren. Beide Männer waren wach und blickten auf das Treiben auf der Lichtung.
    Nao sah sich um. Die Wachen standen drüben bei der tanzenden Frau und achteten nicht auf die Gefangenen. Er nutzte die Gelegenheit und kroch an den Käfig heran.
    »Herak«, flüsterte er.
    Sein Vater fuhr sofort herum. »Nao«, entfuhr es ihm. Zum Glück achtete niemand auf ihn. Er kniete sich nieder und drückte sein Gesicht zwischen die Gitterstäbe. »Was machst du hier?«
    »Dich retten, was sonst«, erklärte Nao stolz. Gleichzeitig erkannte er, dass er keine Ahnung hatte, wie er überhaupt den Käfig aufbekommen sollte.
    Zerreißen… Zerstören… Zerstör das lästige Gitterwerk und töte… Die Vernichtung kommt. Spürst du den Schatten? Die Frau im weißen Kleid lachte ihn an.
    Nao atmete scharf ein. Seine Gedanken wurden immer beängstigender.
    »Bist du allein hier?«
    »Mit Nik und Joon.«
    »Ihr braucht den Schlüssel.« Herak wies auf einen feisten Wächter, der nur einen Lendenschurz trug – und einen Schlüsselbund an der Gürtelschnur. »Versucht ihm den Schlüssel zu stehlen, wenn er wieder in das große Zelt geht. Er holt von dort Brandtwein für seine Kumpane.«
    »Wir könnten ihn auch einfach töten und ausweiden…« Nao fühlte einen dumpfen Druck in seinem Kopf. Die Frau im weißen Kleid drehte sich nur für ihn…
    »Nao?« Heraks Augen weiteten sich entsetzt.
    »Ich…« Nao stotterte. »Ich sehe, was ich tun kann…« Er flüchtete zurück in die Büsche. Was war nur los

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