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233 - Enklave der Träumer

233 - Enklave der Träumer

Titel: 233 - Enklave der Träumer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern
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wir zu Hause nicht auch hätten«, feixte Nik in Anspielung auf den vergangenen Krieg. »Wir dürfen uns halt nicht erwischen lassen.«
    »Kann ich nicht hier bleiben und die Qualle bewachen?«, fragte Joon ängstlich.
    Nao warf ihm einen abschätzenden Blick zu. »Du klingst nicht wie ein Krieger, und doch willst du einer sein.«
    »Es… es ist der Dämon«, flüsterte Joon und senkte verschämt den Blick. Seine Hand mit den langen Fingern lag auf seiner Steinschleuder. »Ich habe Angst vor Dämonen…«
    Nik klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. »Wir bleiben zusammen. Wenn etwas ist, rennen wir zur Qualle zurück. Du kannst das Ding doch ohnehin nicht lenken. Das kann nur Nao.«
    Joon nickte kläglich. Sein dünnes Gesicht war noch weißer als sonst.
    »Also los!« Nao übernahm die Führung.
    Sie liefen über den Steg an Land. Muscheln und Steine bedeckten den Sand. Das weiße Ufer stieg zunächst sanft an und wurde dann steil. Die Dünen brandeten gegen eine breite Front aus Büschen und Sträuchern, hinter denen sich ein dichter Wald aus immergrünen Bäumen erhob. Farne wucherten daraus hervor. Einige waren so groß, dass man sich darunter stellen konnte.
    »Da drüben steigt Rauch auf!« Nao wies nach links, zwischen den Eukalyptusbäumen hindurch. »Es muss eine Lichtung ganz in der Nähe sein.«
    Gemeinsam pirschten sie durch die Büsche. Musik drang ihnen entgegen und vermischte sich mit den Schreien von Vögeln und Monkees. Es war der harte Rhythmus von Trommeln, der monoton durch den Wald hallte. Zwei schrille Flöten begleiteten sie.
    »Sie scheinen irgendein Fest zu feiern«, flüsterte Nik. »Vielleicht den zweiten Tag vom Lichtfest?«
    »Glaub ich nicht. Vermutlich opfern die jemanden.« Der große Joon drückte sich dicht an die kleineren Jugendlichen mit der rotbraunen Haut.
    »Dann sind sie zumindest beschäftigt«, meinte Nao so gelassen er konnte. Auch er hatte Angst. Gleichzeitig brannte in ihm eine fiebrige Erregung. Er war der Quelle sehr nah! Hier würde sich das Geheimnis, was es mit seinen Träumen auf sich hatte, lüften! Er musste an den Schatten denken, und für einige Sekunden verschwand die Welt um ihn herum und er sah die Bilder seiner Träume. Ihm war, als wollten sie ihm etwas mitteilen… Er merkte kaum, wie er inne hielt.
    »Nao?« Joon fasste den Kleineren beunruhigt an der Schulter. »Alles klar?«
    Nao riss sich zusammen und drängte die Traumbilder zurück. »Sicher. Alles klar. Kommt weiter.«
    Er führte die beiden anderen durch das Geäst. Der Wald wucherte so dicht, dass sie sich auf alle Viere niederließen und über den trockenen Boden krochen. Eine Spinne, die seinen Weg kreuzte, schob Nao einfach mit dem Handrücken beiseite. Weit gefährlicher waren die Snaaks. Im Moment konnte er keine entdecken. Trotzdem bewegten sie sich langsam und vorsichtig. Sie robbten auf die Musik und die hellen Lichtflecken zwischen den Sträuchern zu, bis sie nebeneinander im Schutz eines Busches aus Farnblättern am Rand der Lichtung kauerten.
    Der Platz vor ihnen war gut fünfzig Meter breit, etwa hundert Meter lang und mit mehreren Zelten aus Tierhäuten und Fellen bestellt. Über der Lichtung thronte, von immergrünen Bäumen eingerahmt, die Ruine eines Hauses. Das Gebäude war wohl einmal weiß gewesen; jetzt schimmerte es schmutziggrau in den Schatten der Bäume.
    Viel interessanter als das sonderbare Haus mit den dünnen Säulen in der Front fand Nao aber die etwa zweihundert Menschen auf der Lichtung. Sie hockten oder lagen an Feuern. Die meisten wirkten, als stünden sie unter Rauschkräutern. Sie erinnerten ihn stark an Gabri und Doran. Nur die wenigstens waren bekleidet, und wenn, dann hatten sie nur das Nötigste an.
    Im krassen Gegensatz dazu liefen die Wachen herum – zehn an der Zahl – die voll bekleidet waren. In ihren Gürteln steckten Messer und Steinschleudern. Drei von ihnen hatten lange Speere bei sich. Ihre Aufmerksamkeit war träge auf die Tanzenden gerichtet.
    Einer der Wachleute – er war groß und breit und trug im Gegensatz zu den anderen nur einen Lendenschurz – trat in das Größte der Zelte und kam mit Trinkhörnern wieder heraus, die er seinen Kameraden brachte. Anscheinend war es das Versorgungszelt.
    Joon griff nervös an seinen Gürtel und zog aus seinem Beutel eine Handvoll beruhigender Blätter, auf denen er zu kauen begann. Er bot Nao ebenfalls davon an, doch der schüttelte kurz und hart den Kopf.
    Eine Weile lagen sie schweigend

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