233 - Enklave der Träumer
Piama erhörte sie. Matts Linke packte plötzlich ihren Arm. Er wehrte sich! Seine rechte Faust traf Airin, die begeistert aufschrie, in die Seite. »Es klappt!«
Sie hielt ihn noch einige Momente unter Wasser, dann zog sie Matts Kopf nach oben. Der blonde Mann schnappte nach Luft und sah sie entgeistert an. »Airin…! Was zum Teufel…?« Er hustete und spuckte Wasser.
Neben ihm kam auch Aruula wieder zu sich. Sie öffnete die Augen. Ihr Atem beruhigte sich. Das Zittern endete. Tara machte das Schutzzeichen, ehe sie sorgfältig die Lederrolle wegpackte.
Airin atmete erleichtert auf. »Gut. Der Anfall wäre überstanden. Hoffen wir, dass wir bis zum nächsten genügend Zeit haben!« Sie gab Matt und Aruula von dem Kraut zu kauen, das ihnen helfen sollte.
»Es sind furchtbare Träume in deinem Kopf«, sagte Aruula schaudernd und schüttelte sich. »Und dann das Leuchten auf dem Fels…«
Matt rieb sie die Stirn und ließ sich erschöpft in den festgeschraubten Sitz sinken. »Ja, der Fels unter Wasser… Er glüht… Irgendetwas ist dort unten, und es erinnert mich an den Finder!«
»Aber warum habe ich ihn nicht gespürt, als mich die Hydriten zu dem Felsen brachten?«, fragte Aruula.
»Vielleicht ist das, was da unten lauert, erst aufgewacht, nachdem der Finder besiegt war«, überlegte Matt Drax. »Fühlst du es jetzt auch?«
Die Kriegerin nickte. »Ich habe es gespürt, als ich in deinen Gedanken war.«
»Ich muss da hinunter.« Matt klang entschlossen. »Was immer es ist, es ruft nach mir.«
Airin sah, wie Aruula besorgt nach dem Griff ihres Schwertes tastete. »Aber nicht allein!«, sagte die Kriegerin von den Dreizehn Inseln bestimmt.
Airin nickte zustimmend. »Aruulas Sorge ist berechtigt. Du solltest nicht allein gehen.«
Maddrax schwieg. In diesem Moment erschien er Airin so trotzig wie Nao. Aber Matt war kein Jüngling, den sie zum Einhalten zwingen konnte. Sie seufzte und wünschte sich ein weiteres Mal, Maddrax niemals von Heraks Reise in den Süden erzählt zu haben…
***
In der Enklave der Träumer
Die Frau im weißen Kleid führte die Prozession an. Der lange blutgetränkte Saum schleifte über Erde und Sand. Fast fünfzig ihrer Jünger hatten sich aufgerafft und folgten ihr wie in Trance. Einige trugen Fackeln. Flankiert wurde die Prozession von den mit Speeren bewaffneten Wachen.
Nao ging hinter der Herrin auf Heraks Höhe. Zwei Wächter hatten den Anführer der Adors links und rechts gepackt und schleiften ihn mit sich. Am Anfang hatte sich Herak heftig gewehrt, doch nach einigen Faustschlägen in seine Seiten beugte er sich der Gewalt.
Nao betrachtete den Ritualdolch in seinen Händen. Ihm war, als würde der Dolch ein hohes, zufriedenes Summen von sich geben. Es war der Dolch der Herrin. Straitars Macht wohnt in ihm. Die Hand der Herrin hat ihn geweiht.
Wann immer er zu der Herrin hinüber sah, fühlte er diese angenehme Wärme. Sie war gut zu ihm. Wie eine Mutter. Sie folgte dem Pfad der Tugend und führte die Verblendeten zu Straitar. Und er durfte ihr dabei helfen. Mit dem Dolch in seinen Fingern.
»Nao, was soll das alles?« Heraks Stimme war verzweifelt. »Du willst mich nicht töten!«
Der Wächter neben ihm verpasste Herak einen Schlag in die unteren Rippen, der ihn ächzen ließ. Er starrte grimmig zu Nao herüber. Es war der Feiste mit dem Spinnennetzmuster im Gesicht. Man sah ihm an, wie wütend er über die Platzwunde an seiner Schläfe war – und dass er Nao nichts antun konnte, denn die Herrin hatte ihn anerkannt und mit dem heiligen Ritualdolch geehrt. Die Wut des Wächters war bedeutungslos.
Nao tat, als habe er Heraks Frage nicht gehört. Auch sie war nicht wichtig. Alles was jetzt zählte, war seine Nähe zur Herrin und die kommende Erlösung. Herak würde es bald verstehen.
Sein Blick glitt zum Rücken der aufrecht vor ihm her schreitenden Herrin. Seine Gefühle für sie und Straitar nahmen an Intensität zu. So sehr, dass sein Kopf zu schmerzen begann. Ein wenig verwundert runzelte er die Stirn, als er es bemerkte.
Sie gingen dem Steg langsam entgegen. Das Meer brandete gegen das Land und das Rauschen vermischte sich mit den Gesängen, die die Jünger der Herrin anstimmten. Mit getragenen Worten lobpreisten sie Straitar, den göttlichen Herrn.
Nao musste plötzlich an Lisette denken und an das gemeinsame Gespräch am Meeresufer. Auch dort waren die Wellen gegen das Land gebrandet. Auch dort herrschte das ewige Rauschen des großen Ozeans.
Seine Hand
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