2330 - Spur ins Nichts
Bögen und Kurven täuschten sie das Auge. Es sah aus, als würden sie sich wie Schlangen zwischen den Stützsäulen entlangwinden. „Das sieht morbid schön aus", flüsterte Tess ehrfürchtig.
Benjameen empfand es anders. Die vielfach in sich gewundenen und sich überlagernden Formen erweckten in ihm den Eindruck von tragischer Schönheit, ähnlich einer hübschen Frau, die sich in den Ketten ihres Kerkers wand.
Und wieder war da ein Gefühl, als lebe diese Stadt. Es lag daran, dass die mit jedem Schritt sich verändernden Perspektiven und Formen Bewegung vorgaukelten.
Mühsam löste sich da Jacinta aus dem fast hypnotischen Bann, dem sie alle unterlagen, der sie lähmte und einfach nur dastehen und schauen ließ. Er gab den Männern und Frauen der einzelnen Einsatzgruppen einen Wink. „Verteilt euch und seht euch die Räumlichkeiten genau an. Und Vorsicht, es könnten Fallen installiert sein."
Fay-Vani-D'au kicherte. „Von uns ist in all den Jahren nie einer attackiert worden. Weder von Fallensystemen noch von Robotern."
„Ihr seid vermutlich nicht mit Dutzenden von Desintegratoren und Handstrahlern herumgelaufen. Aber vermutlich hast du Recht."
Auf Duff VI Ihatten sie auch keine Gegenwehr erlebt, nicht einmal, nachdem sie das Eingangsschott mit Gewalt aufgebrochen hatten.
Die Gruppen verteilten sich auf die Stadt. Benjameen da Jacinta und Tess Qumisha folgten der alten Frau, während Dao-Lin-H'ay ihre eigenen Wege ging.
Die Eisstadt wirkte überirdisch schön. In weniger gut ausgeleuchteten Winkeln entdeckte der Arkonide aber auch Zeichen des Verfalls. An einigen Stellen war der Putz zu Boden gefallen, teilweise halbe Wände hoch. Niemand hatte den Schutt weggeräumt.
Benjameen untersuchte das Material. Es fühlte sich wie Mehl an, durchsetzt von kleinen Splittern aus einem eisähnlichen Material, das nicht schmolz. Selbst wenn sie es siebten, würde sich kein Anhaltspunkt ergeben. „Wenn hier jemand gewohnt hat, ist davon nichts mehr übrig geblieben", meinte Tess. „Und trotzdem habe ich den Eindruck, als gäbe es hier noch irgendwo Leben."
„Unsinn", meinte Fay-Vani-D'au. „Wenn es existieren würde, wären wir ihm irgendwann begegnet, oder unsere Mikrokameras hätten Gestalten aufgezeichnet."
Sie gingen weiter, folgten der Graukartanin in den hinteren Teil der Stadt. Überall streckten sich diese Glasfaser-Lichtfinger vom Gewölbe in die Tiefe, als gehörten sie zu Lebewesen.
Benjameen da Jacinta schaltete sein Funkgerät ein. „Kann jemand mit einer Altersbestimmung aufwarten?"
Es kam keine Antwort. Eine solche Untersuchung dauerte etwas länger.
Außerdem mussten sie sich zunächst einen Überblick über die Stadt verschaffen. „Im Zentrum gibt es eine Reihe von Wänden mit Reliefs", hörte er Dao-Lin-H'ay sagen. „Ich erkenne fremde Schriftzeichen." ,„Aufzeichnen und sofort an SE-NECA funken. Kommen sie dir irgendwie bekannt vor?"
„Du meinst die Schriftzeichen von Sonnenlicht-18? Nein."
Der Arkonide teilte zwei Gruppen zur Erfassung der Zeichen ein. Die anderen durchsuchten die Nebenräume und kleineren Gewölbe, die sich in den Außenbereichen der Eisstadt nahtlos in das Gesamtgebilde fügten.
Benjameen rief nach Tess. Gemeinsam machten sie die Probe aufs Exempel. Sie eilten Treppen hinauf, Emporen entlang, andere Treppen hinunter und über Galerien hinweg. Egal, in welche Richtung sie sich wandten, sie gelangten nie zum Ausgangspunkt zurück. Das Ganze war ein Irrgarten, allerdings ein überschaubarer, denn in der ganzen Zeit verloren sie die Gefährten nie aus den Augen.
Wieder widmete da Jacinta sich dem dunkelroten Material. Es schimmerte von innen heraus, besaß dieselbe Farbe und Oberflächenbeschaffenheit wie das, was sie in Sonnenlicht-18 vorgefunden hatten.
Für den Arkoniden gab es keinen Zweifel. Das hier war nicht nur eine beliebige andere Station des Netzes, es war schon allein aufgrund der Größe die Basis-Station. Allerdings befand sie sich in keinem besonders brauchbaren Zustand. Wenn es hier früher Maschinen und Personal gegeben hatte, waren sie von einem perfekt organisierten Umzugsunternehmen weggeschafft worden. „Das sieht nicht nach der Zentrale eines galaktischen Funksystems aus."
Benjameen fuhr herum. Dao-Lin-H'ay war zu ihnen gestoßen, lautlos und ohne Schwierigkeiten, sich in dem Labyrinth aus Treppen und Brücken zurechtzufinden. „Jemand hat die Anlagen in Sicherheit gebracht", stimmte er ihr zu. „Bei den untergeordneten Stationen ist es
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