2346 - Chyndors Weg
entwand sie der Hand des Jungen. „Haltet ein!", rief Chyndor und versuchte, seine psionische Gabe auf die Kinder auszuweiten. Er fand die nötige Konzentration nicht, denn in seinem Augenwinkel blitzte etwas auf. Etwas Metallenes. Er warf sich zur Seite.
Ein Dinath-Mädchen stolperte an ihm vorbei. Es hatte zu viel Wucht in den ungestümen Angriff gelegt. Chyndor hob das rechte Bein. Das Mädchen verfing sich, schrie und stürzte. Es zuckte und schrie noch lauter, bis es plötzlich völlig still lag.
Erschüttert sah Chyndor, dass ein spitz zulaufendes Metallteil aus ihrem Rücken ragte. Sie war in ihre provisorische Angriffswaffe gestürzt. „Hilf mir!"
Der Ruf seines Begleiters riss ihn von dem makabren Anblick los. Er wirbelte herum.
Kalmet war von Kindern umringt, die Steine nach ihm warfen. Ein Junge saß auf seinem Rücken und würgte ihn. Kalmet stieß die Ellenbogen nach hinten. Das Kind stöhnte dumpf, behielt seine Position jedoch bei.
Chyndor hatte immer noch das tote Mädchen vor Augen. So weit darf es nicht mehr kommen! Er konzentrierte sich auf seine Gabe als Para-Charismat. Ich muss eine Zone der Ruhe schaffen, die Kinder von der verderblichen Strahlung abkoppeln!
Plötzlich ließ der Junge Kalmet los und rutschte über Rücken und Hüfte zu Boden.
Er taumelte zurück, starrte auf seine schmutzigen Hände. Andere ließen ihre Steine fallen. Alle wandten sich dem Friedensfahrer zu, sahen ihn aus geweiteten, entsetzten und fragenden Augen an.
Nur das durchbohrte Mädchen lag nach wie vor regungslos.
Chyndor sah sich mit einem großen Problem konfrontiert. Es war zweifellos richtig gewesen, die Kinder zu befreien - doch was sollte er nun mit ihnen anfangen?
Sie waren auf ihn angewiesen. Er konnte sie nicht einfach zurücklassen. Auf seinem Weg zur havarierten Einheit der Terminalen Kolonne TRAITOR würden sie ihn jedoch behindern wie ofsargische Qualuppen. „Du hast mich befreit", riss eines der Kinder ihn aus seinen Gedanken. Ein Junge, Chyndors Einschätzung nach nicht älter als vier dinathische Standardjahre.
Seine großen, kugelrunden Augen leuchteten in sattem Hellblau. „Jetzt musst du auch meiner Mama helfen."
„Das werde ich - später", vertröstete Chyndor. „Ich werde euch allen helfen."
„Nicht später." Der Junge fing an zu weinen. Er wies mit zitterndem Arm auf den Gleiter. „Sie ist dort drin und versteckt sich."
Kalmet verzog das Gesicht. „Wenn sie merkt, dass die Kinder sie nicht mehr belagern, wird sie zum Angriff übergehen."
Der Junge schüttelte den Kopf. „Aber meine Schwester kommt doch raus."
„Deine Schwester?", fragte Chyndor alarmiert. Er ahnte, was das Kind auf seine unbeholfene Art mitzuteilen versuchte. Es wies auf seinen Bauch. „Ich werde reingehen." Der Friedensfahrer wandte sich dem Gleiter zu. In diesem Augenblick war ihm gleichgültig, ob er sein eigentliches Ziel verfehlte und ob es Sinn ergab, Einzelne zu retten. Wenn dort drin tatsächlich in diesen Momenten eine Dinath gebar, benötigte sie Hilfe.
Der Heesorter betrat den Gleiter. Das Stöhnen war unüberhörbar. Es drang hinter der einzigen geschlossenen Schleuse auf, die in die winzige Fahrerkabine führte.
Chyndor betätigte den Kontakt, der das Schott öffnete. Natürlich besaß der schrottreife Gleiter keine Energie mehr. Er musste das Schott manuell aufstemmen. Er griff zu und drückte, doch es blockierte. „Öffne! Ich werde dir helfen. Dir und deinem Kind!"
Keine Reaktion erfolgte, außer einem lauteren Stöhnen. Außerdem erklang ein leises Klopfen.
Chyndor überprüfte, ob er irgendwo eine der herumliegenden Stangen als Hebel ansetzten konnte, um die Hälften des Schotts auseinander zu pressen. Dabei machte er eine makabre Entdeckung. Das Schott schloss nicht mehr dicht, und durch die schmale Ritze floss Blut.
Entweder war die Frau verletzt oder der Geburtsvorgang bereits eingeleitet. „Kalmet!" Es dauerte nur Sekunden, bis der junge Dinath neben Chyndor stand. „Wir müssen dort rein."
Kalmet stellte keine Fragen, sondern ging sofort an die Arbeit. Zu zweit drückten und zerrten sie, und bald gelang es, die Schotthälften auseinander zu ziehen.
Die Dinath in der Fahrerkabine leistete keinen Widerstand. Natürlich nicht. Sie lag mit gespreizten Beinen, den Rücken gegen den Pilotensitz gepresst. Ihr Neugeborenes zappelte in einer Blutlache auf dem Boden.
Seine Hautfarbe wirkte grau und leblos, die Lippen blau.
Verzweifelt rief sich Chyndor sein Wissen über die
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