2376 - Tolle Tage in Terrania
Reaktion.
Laut sagte er: „Bevor wir beginnen, möchte ich darauf hinweisen, dass ich zwar ausgebildeter Psychologe bin, jedoch eigentlich auf Fremdwesen spezialisiert."
Alan-Bari nickte. „Ich weiß, was das >Xeno< vor deiner Berufsbezeichnung bedeutet. Mir egal. Psychoklempner ist Psychoklempner."
„Nun, das würde ich so nicht ..."
„Im Übrigen, falls du's genau wissen willst", schnitt ihm Alan-Bari brummig das Wort ab, „war bei keinem anderen deiner Profession in absehbarer Zeit ein Termin frei. Momentan herrscht großer Bedarf an Seelendoktoren; wen wundert's.
Und wenn ich mir einen eingewachsenen Zehennagel operieren lassen will, aber kein Chirurg verfügbar ist, gehe ich eben notfalls zum Tierarzt, klar?"
„Verstehe."
Der Vergleich schmeichelte Hajmo nicht unbedingt. Dennoch wurde ihm der alte, grantige Kauz gerade durch seine unverblümte Art allmählich sympathisch. „Du sagtest, du lehrst an der Waringer-Akademie?"
Alan-Bari feixte. „Verblüffenderweise hat sich daran seit meinem Anruf heute Vormittag nichts geändert."
Obwohl seine Arbeitsstätte, der markante Rainbow-Dome, von hier aus gut sichtbar war, verschwendete er keinen Blick darauf.
Auch Hajmo sah er nicht direkt an, sondern an ihm vorbei. „Macht dir das Unterrichten Spaß?"
„Geht so. Angeblich hockt bei uns die Elite der Studenten, aber ich merke herzlich wenig davon. Unter uns - die Meisten könnte ich mit einem nassen Lappen erschlagen."
„Das ist jedoch nicht das Problem, wegen dem du dich an mich gewandt hast."
„Nein!" Pause.
Hajmo wartete einige Atemzüge, dann sagte er: „Hör mal, du hast eine Stunde Konsultation gebucht. Verhältst du dich weiterhin derart defensiv, wirst du kaum auf deine Kosten kommen."
„Ich war noch nie bei so was!" Unwirsch fuchtelte Alan-Bari mit den Armen. „Mich macht das nervös. Außerdem dachte ich, es sei dein Job, das Gespräch zu führen."
„Das versuche ich ja. Aber du erleichterst es mir nicht gerade. Für dich sprechen musst du schon selbst." Hajmo atmete tief durch. „Wie wär's, wenn du mich einfach darüber aufklärst, weshalb du so dringend psychologische Beratung suchst?"
*
Matheux Alan-Bari war 111 Jahre alt, ohne familiären Anhang, da er recht gut allein zurechtkam und seine eigene Gesellschaft jener anderer Personen vorzog.
Als notorischen Einzelgänger oder gar sozial gestört empfand er sich deswegen nicht. Dass er eine gewisse Distanz zu seinen Zeitgenossen hielt, bedeutete keineswegs, dass er nicht Anteil am Gemeinwesen nahm, oder? Und er war durchaus bereit, seinen Beitrag zu leisten, beispielsweise als Globist der ersten Stunde. „Bist du mit dem bisherigen Verlauf deiner wissenschaftlichen Karriere zufrieden?", fragte der Psycho-Fritze.
Matheux bejahte; nach leichtem Zögern.
Was Siderip sofort bemerkte. Vielleicht war der Kerl doch sein Geld wert. „Ich meine, die Waringer-Akademie ist nicht gerade die schlechteste Adresse der Milchstraße", setzte er nach. Eben. Matheux hatte keinen Grund, sich zu beschweren. Obgleich ...
Sein Stellenwert und die nach all den Jahrzehnten erreichte Position waren maximal halbwegs befriedigend zu nennen.
Ja, halbwegs traf es ganz gut: spätestens auf halbem Weg stehen geblieben, oder zumindest ermattet, träger geworden.
Während andere, die über nicht annähernd so viel Talent verfügt hatten, an ihm vorbeizogen. „Kränkt dich das?"
Matheux kratzte sich am Bart und studierte danach die dunklen Ränder unter seinen Fingernägeln. Er dachte nach. Die - oder besser: dieser - Frage hatte er sich schon lange nicht mehr gestellt. „Nein", sagte er schließlich wahrheitsgemäß. „Eigentlich kaum, ehrlich."
Er hatte sich nach reiflicher Überlegung entschlossen, es ein wenig gemütlicher anzugehen als seine ehrgeizigen Kollegen.
Zu arbeiten, um zu leben, nicht umgekehrt.
Lieber erbauliche Lektüre bei guter Musik und einem feinen Weinchen, statt dauernd unter Strom und Aufputschmitteln Ruhm und Erfolg nachzujagen. „Klingt vernünftig", bestätigte ihn Siderip. „Nicht jeder kann zu einem Baldwin Carapol oder Malcolm S. Daellian werden.
Wobei ich, gerade im Fall des Zweitgenannten, mal dahingestellt lasse, ob das so erstrebenswert wäre."
Matheux durchschaute den Psychologen: Er etablierte Übereinstimmung, baute Vertraulichkeit auf. Nun, das gehörte wohl zu seinem Handwerkszeug. Wenigstens entblödete er sich nicht, verschwörerisch zu zwinkern.
Sicher - wie Daellian in seinem fliegenden
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