239 - An der Pforte des Hades
Flucht. Sein Umherirren als Heimatloser. Seine Aufnahme bei den Mar’osianern und die Abweisung seiner Auserwählten, deren Ekel sich in ihrem schönen Kiemengesicht spiegelte.
Dann die Wende, als er einen Hydriten und zwei ungewöhnlich große, schlanke Menschen belauschte und erfuhr, dass die vergessene Stadt Gilam’esh’gad wiederentdeckt war! Er folgte den beiden in die verfallene Metropole am Grund des Marianengrabens, in der sein einziger Freund ein hässlicher Riesenkrake war. Ein Jahr lang hielt er sich verborgen und erfuhr von den Geheimnissen Gilam’esh’gads.
Dann tauchten zwei weitere Menschen auf, ein blonder Mann und sein Barbarenweibchen. Ihnen berichtete Quart’ol von einer mächtigen Waffe der Hydriten am Südpol. Agat’ol erkannte sofort, welche Macht ihm dieser »Flächenräumer« verschaffen konnte. Er stahl den Datenkristall und verbündete sich mit dem Todfeind des blonden Lungenatmers: General Arthur Crow.
Damit endete seine Glückssträhne. Er hatte Crow für seine Pläne einspannen wollen, ihn aber unterschätzt. Ein Bündnis mit einem Trupp Mar’oskriegern erwies sich als Fehlschlag. Sie waren denselben Unmenschen in die Hände gefallen wie später auch er selbst. Man hatte ihn laufen lassen, damit er seine Häscher zu weiteren Verbündeten führte, aber er war ihnen trotz des Dings in seinem Schädel, mit dem sie ihn aufspüren und ihm Schmerzen bereiten konnten, entkommen. Bis jetzt…
Obwohl er scheinbar die Grenze zum Totenreich überschritten hatte, spürte Agat’ol plötzlich Hitze in seinem Körper. Mit einem Mal schwebte der kreisende Kristall durch seine Gedankenschleier. Dieses geschliffene Kleinod enthielt den Schlüssel zur Macht. Seine Belohnung für all das Leid, das ihm widerfahren war.
Ich werde die Waffe finden. Ich werde sie bergen. Ich werde mich rächen. Agat’ol streckte seine Flossenhand nach dem heranschwebenden Stein aus. Doch vergeblich! Wie aus dem Nichts tauchte General Arthur Crow vor ihm auf und griff sich den Kristall.
»Nein!«, brüllte Agat’ol. »Er gehört mir! Gib ihn wieder her! Ich muss die Sache zu Ende bringen!«
»Du musst die Sache zu Ende bringen?«, dröhnte eine entfernte Stimme. Die Gestalt des Generals verschwamm und ein großer Schädel näherte sich dem Hydriten. »Irrtum! Ich werde die Sache zu Ende bringen! Ich werde dir jede Schuppe einzeln von deinem hässlichen Körper reißen! Doch bis es so weit ist, nimm das hier.«
Ein grauenvoller Schmerz jagte durch Agat’ols Ohren. Wie ein Messer durchpflügte er seinen Schädel. Unbarmherzig riss er ihn aus seiner Schattenwelt. Unter seinem Rücken spürte er wieder den eiskalten Boden. Um ihn herum fauchte und heulte der Sturm. Auf seiner Wange brannte der Atem seines Peinigers.
Als Agat’ol die Augen aufriss, sah er vor sich die hässliche Fratze Kor’naks. »Das war erst der Anfang«, flüsterte der Drachenmeister – letzter Überlebender der Mar’oskrieger – ihm heiser zu.
***
Februar 2485, Nischni-Nowgorod
Chichi betrachtete neugierig den Motorschlitten. Er war größer als der von Onkel Andreij. Trotzdem war die Mechanik die gleiche, wie bei allen anderen Schlitten, die man in dieser Gegend benutzte. Seine Ketten glänzten in der Mittagssonne. In einer darüber liegenden Schiene lugten die Kanten der Schneekufen hervor. Der Junge wusste genau, welchen Hebel man betätigen musste, um die Gleiteisen aus der Versenkung zu holen. Sämtliche Funktionsabläufe, um einen Schlitten in Gang zu setzen, waren in seinem Kopf. Nicht weil Andreij Baschk sie ihm erklärt hätte, sondern nur durch genaues Beobachten hatte der Junge sie sich angeeignet. Am liebsten wäre er auf den Pilotensitz gesprungen und losgefahren. Doch seine Arme waren noch zu kurz, um beide Handpedale zu betätigen.
Seufzend wandte sich der Kleine von dem Gefährt ab. Neben ihm tollte Sable, inzwischen groß wie ein Hund, durch den Garten vor dem dunklen Haus. Es gehörte Kommandant Andreij Baschk. Seit dem Tod seiner Mutter lebte Chichi bei ihm und seiner Haushälterin. Am Anfang hatten außer ihnen noch ein Dutzend Männer in dem Haus gewohnt. Gemeinsam mit Chichi warteten sie auf Papa. »Er wird bald kommen, um dich abzuholen.« Fast täglich hatte Onkel Andreij ihm das gesagt. Irgendwann sagte er es nicht mehr. Irgendwann verschwanden auch die Männer. Papa kam nicht. Und Chichi hatte aufgehört, nach ihm zu fragen. Denn Onkel Andreij wurde stets böse, wenn er es tat.
Sable sprang ihm auf
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